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Constantin Goschler (Hrsg.)

Die Entschädigung von NS-Zwangsarbeit am Anfang des 21. Jahrhunderts. Band 1: Die Stiftung. Der Abschluss der deutschen Wiedergutmachung. Band 2: Transnationale Opferanwaltschaft. Das Auszahlungsprogramm und die internationalen Organisationen. Band 3: Nationale Selbstbilder, Opferdiskurse und Verwaltungshandeln. Das Auszahlungsprogramm in Ostmitteleuropa. Band 4: Helden, Opfer, Ostarbeiter: Das Auszahlungsprogramm in der ehemaligen Sowjetunion

Göttingen: Wallstein Verlag 2012; 1.143 S.; geb., 59,90 €; ISBN 978-3-8353-1085-8
Wozu ist „die materielle und symbolische Entschädigung nationalsozialistischer Verbrechen eigentlich gut [...], wenn auf der Hand liegt, dass sie die böse Vergangenheit unmöglich wieder gut machen kann“ (21)? Diese von Constantin Goschler in seiner umfangreichen und äußerst hilfreichen Einleitung aufgeworfene Frage wird in 15 Einzelstudien eindrucksvoll beantwortet und zwar anhand der konkreten Durchführung der Entschädigungszahlungen, die die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ leistete. Von der Bundesrepublik Deutschland und einer Stiftungsinitiative deutscher Unternehmen finanziert, zahlte die Stiftung zwischen 2001 und 2007 in Zusammenarbeit mit sieben internationalen Partnerorganisationen über neun Milliarden DM an ehemalige Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter in Osteuropa, die bislang keine Entschädigung erhalten hatten. Für die zeitnahe wissenschaftliche Analyse wurde den an diesem Forschungsprojekt beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ermöglicht, Dokumente einzusehen, die eigentlich für 30 Jahre gesperrt gewesen wären; außerdem haben sie in den verschiedenen Ländern mit Betroffenen gesprochen. Damit rücken der Diskurs über die Entschädigung, die Entschädigung als soziale Praxis sowie die Folgen der Zahlungen in den Mittelpunkt der Betrachtung – und nicht das Motiv der deutschen Seite, durch diese finanziellen Leistungen Sicherheit vor Klagen in den USA gegen deutsche Unternehmen zu erlangen. Als eigentliche Bedeutung der oft eher geringen Zahlungen erweist sich, dass vielerorts erstmals über das Schicksal der Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter gesprochen und damit auch der Vorwurf der Kollaboration neu ausgelotet wurde; viele Betroffene konnten endlich über ihre Erfahrungen berichten und ihr Leid wurde anerkannt. Zugleich aber werden auch fortdauernde Ausgrenzungen sichtbar, besonders deutlich sind diese im Fall der Roma. Gezeigt werden außerdem die Schwierigkeiten etwa in Russland, ein ordentliches Auszahlungsverfahren zu gewährleisten. Mit diesen vier Teilbänden wird nicht der Anspruch erhoben, die Stiftungsarbeit und ihre Wirkung umfassend darzustellen; die aufschlussreichen Beiträge sind aber inhaltlich so aufgefächert, dass ein sehr präzises Bild von dieser angesichts des fortgeschrittenen Alters der Betroffenen (fast) zu späten Wiedergutmachung entsteht.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.352.234.422.224.32.612.62 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Constantin Goschler (Hrsg.): Die Entschädigung von NS-Zwangsarbeit am Anfang des 21. Jahrhunderts. Göttingen: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35331-die-entschaedigung-von-ns-zwangsarbeit-am-anfang-des-21-jahrhunderts_42553, veröffentlicht am 06.12.2012. Buch-Nr.: 42553 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken