Skip to main content
Christoph Adler

Die Europäische Union als Förderer einer verantwortungsvollen Regierungsführung in der östlichen Nachbarschaft. Wirkungsmechanismen und Grenzen am Beispiel der Antikorruptionspolitik gegenüber der Ukraine

Hamburg: Verlag Dr. Kovač 2015 (Chemnitzer Schriften zur europäischen und internationalen Politik 9); 124 S.; 66,80 €; ISBN 978-3-8300-8468-6
Ist die Europäische Union in der Lage, in den Staaten in ihrer Nachbarschaft, „die derzeit über keine Beitrittsperspektive verfügen, ihre Reformagenda zu realisieren und Normen zu exportieren“ (14)? Diese Frage beantwortet Christoph Adler am Beispiel der Antikorruptionspolitik der EU gegenüber der Ukraine. Er konzentriert sich auf diesen Politikbereich, da die Bekämpfung von Korruption und Machtmissbrauch eine Schlüsselrolle in der Europäischen Nachbarschaftspolitik (ENP) einnimmt – beide Phänomene gehören zu den großen Problemen in den Ländern Osteuropas, Adler hält sie für ein „Nebenprodukt der Systemtransformation“ (49 f.). Auch in der postsowjetischen Ukraine finden in nahezu jedem Bereich des gesellschaftlichen Lebens und auf jeder Ebene der öffentlichen Verwaltung korrupte Praktiken Anwendung, schreibt Adler. Daher betrachtet er die Antikorruptionspolitik in den EU‑Ukraine‑Beziehungen und deren nationale Auswirkungen zunächst während der Präsidentschaft Wiktor Juschtschenkos von 2005 bis 2010. In dieser Phase waren zwar einige Erfolge zu verzeichnen, wie etwa die Verabschiedung von Antikorruptionsgesetzen oder die Etablierung des Regierungsbeauftragten für Antikorruptionsfragen, was maßgeblich durch die Zusammenarbeit europäischer Experten mit dem ukrainischen Justizministerium ermöglicht wurde. Doch die EU übte insgesamt einen zu geringen Reformdruck auf die Regierungsführung im Bereich der Korruptionsbekämpfung aus, sodass „der Mobilisierungseffekt auf die politische Elite der Ukraine“ (66) relativ schwach war. Nach den Präsidentschaftswahlen 2010 forcierten Präsident Wiktor Janukowytsch (2010 bis 2014) und seine Administration innenpolitische Entwicklungen, die die demokratischen Erfolge seit der Orangenen Revolution infrage stellten. Janukowytsch begann mit der „Errichtung einer starken Machtvertikale“ (69), entlang derer sich Oligarchengruppen und Machtnetzwerke formierten. Schlüsselpositionen der Exekutive und hohe Ämter der Judikative wurden vor allem „mit loyalen, der ‚Familie’ Janukowytschs zugehörigen Personen besetzt“, das von ihm etablierte politische System wies „autokratische Tendenzen und Züge einer patrimonialen Herrschaft auf, die in Klientelismus und politischer Korruption ihren deutlichsten Ausdruck fand“ (70). Die Vorstellungen der EU von Rechtsstaatlichkeit und einer verantwortungsvollen Regierungsführung entsprachen immer weniger der Realität in der Ukraine. Abschließend präsentiert Adler eine Reihe von Empfehlungen für die künftige Ausgestaltung der ENP, wie etwa die stärkere Konditionierung der Finanzmittelvergabe oder die vermehrte Konzentration auf reformorientierte zivilgesellschaftliche Gruppen statt wie bisher vorwiegend auf die regierenden Eliten.
{ste}
Rubrizierung: 3.62.612.213.5 Empfohlene Zitierweise: Sabine Steppat, Rezension zu: Christoph Adler: Die Europäische Union als Förderer einer verantwortungsvollen Regierungsführung in der östlichen Nachbarschaft. Hamburg: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39196-die-europaeische-union-als-foerderer-einer-verantwortungsvollen-regierungsfuehrung-in-der-oestlichen-nachbarschaft_47291, veröffentlicht am 17.12.2015. Buch-Nr.: 47291 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken