"Die Krisen sind die großen Einiger." Ausgehend von dieser Erkenntnis Jean Monnets untersuchen die Autoren die Entwicklung des europäischen Integrationsprozesses als Wechselspiel von Krisen und - oft aus diesen Krisen geborenem - Integrationsfortschritt. Ebenso unterschiedlich wie die Autoren (Wissenschaftler, Politiker, Journalisten, EU-Mitarbeiter) sind Zielrichtung und Art der größtenteils hochwertigen Beiträge. Positiv hervorzuheben sind die Aufsätze von Kaiser, Woyke und Ambrosi sowie, aus politischer Perspektive, Pflüger. Nach der Lektüre des Bandes schwankt der Leser einerseits zwischen Optimismus angesichts des trotz - oder gerade wegen! - der vielen Krisen Erreichten, und andererseits leichter Beklemmung angesichts der beispiellos großen aktuellen Herausforderungen und Expertenaussagen wie "In Deutschland, aber auch in anderen Ländern, wurde aus ethischen Gesichtspunkten prinzipiell kein Tierkörpermehl an Wiederkäuer verfüttert." (Böge [238]) Inhalt: I. Krisen und Krisenbewältigung im integrationspolitischen Kontext: Romain Kirt: Europa in der Krise - Leidet der Alte Kontinent am "Buddenbrook-Syndrom"? (17-39); Johannes Christian Koecke: Krisen und Krisengerede: Kritik eines Allgemeinplatzes. Eine Antwort auf die Frage, warum es der Europäischen Union so schlecht und uns so gut geht (41-47); Thomas Jansen: Die Europäische Union als Antwort auf die Krisen des Jahrhunderts (49-58); Nikolaus Blome: Der Krisengipfel (59-66). II. Integrationsgeschichte als Krisen-Geschichte: Melanie Piepenschneider: Ein gescheiterter Integrationsversuch als Geburtshelfer - Der Europarat und die Anfänge der europäischen Einigung (69-77); Wolfram Kaiser: "Une bataille est perdue, mais la guerre reste à gagner" - Das Scheitern der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft 1954 und der Durchbruch zur horizontalen Wirtschaftsintegration (79-95); Wichard Woyke: Die Ablehnung der Fouchet-Pläne oder die Krise der europäischen Verfaßtheit (97-109); Heiner Timmermann: Die "Politik des leeren Stuhls" und der Luxemburger Kompromiß (111-118); Gerhard Kümmel: In Trübsal vereint? - Europa zwischen Tindemans-Bericht und Einheitlicher Europäischer Akte (119-149); Erhard Busek: 1989 und die Folgen - Die ausgebliebene Krise nach den Umbrüchen in Mittel- und Osteuropa (151-168). III. Die inneren Krisen: Gerhard Michael Ambrosi: Währungskrisen als Wegbereiter der Europäischen Währungsunion (171-187); Hans-Jörg Clement: Von der Verharmlosung einer "Beschäftigungskrise" - Europa auf der Suche nach einem neuen Arbeitsverständnis zwischen wirtschaftlicher und ideeller Wertschöpfung (189-204); Frank Deppe: Zur Post-Maastricht-Krise der Europäischen Union (205-216); Valérie Guérin-Sendelbach: Deutsch-französischer Bilateralismus als Teilstück der inneren Krise Europas (217-229); Tobias Freudenberg: Die einfachste Art zu streiten - Personalentscheidungen als Auslöser von Krisen (231-235); Reimer Böge: Die BSE-Krise und ihre Folgen (237-252). IV. "Auswärtige" Krisen und Krisenpotential: Carl Baudenbacher: Die EWR-Krise (255-267); Stefan Fröhlich: Integrationspolitik als Krisenpräventionspolitik? - Die globalen Herausforderungen an die EU (269-285); Friedbert Pflüger: Die EU - "Melkkuh" oder Solidargemeinschaft? Die Europäische Gemeinschaft vor einer historischen Belastungsprobe (287-301); Albrecht Rothacher: Die EU-Osterweiterung: Chancen und Krisenpotentiale (303-318); Susanne Baier-Allen: EU-Erweiterung als Krisenauslöser? - Das Beispiel Zyperns (319-337).