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Michael Richter

Die Friedliche Revolution. Aufbruch zur Demokratie in Sachsen 1989/90

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2009 (Schriften des Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung 38); 1.611 S.; 59,90 €; ISBN 978-3-525-36914-2
In seiner Darstellung der Geschichte der friedlichen Revolution in Sachsen bedient sich Richter ausdrücklich politikwissenschaftlicher Methoden, insbesondere des akteurstheoretischen Ansatzes – denn ihm geht es vor allem darum, die Rolle der Bevölkerung zu würdigen. Den Schwerpunkt bilden die Ereignisse auf regionaler und kommunaler Ebene in den drei ehemaligen Bezirken Dresden, Karl-Marx-Stadt und Leipzig. Die Forschungsergebnisse ließen sich zwar nicht auf andere Regionen übertragen, schreibt Richter und verweist u. a. auf die Unterschiede zu den Entwicklungen in Ost-Berlin. Da er aber die Politik der Bundesregierung und die internationale Ebene in die Darstellung integriert, entsteht pars pro toto ein umfassendes Bild der Revolution. Auf der Basis dieser akribisch genauen Arbeit kommt Richter zudem zu erhellenden Ergebnissen, die er im Rahmen einer Auseinandersetzung mit verschiedenen Forschungs- und Deutungsansätzen erläutert. Hervorzuheben ist u. a. seine Feststellung, dass die SED/PDS bis zum Januar 1990 nicht nennenswert von ihrer Ideologie abrückte und keinerlei Schritte in Richtung einer freiheitlich-demokratischen Ordnung unternahm. Akteure aus der Bürgerrechtsbewegung, die der Bundesrepublik ablehnend gegenüberstanden, ermöglichten dem MfS zudem seine Selbstauflösung und erlaubten die Vernichtung der elektronischen Datenträger. Außerdem konnten „neue Funktionen, wie etwa die der Direktoren der neugeschaffenen Arbeitsämter, fast durchweg mit ehemaligen SED- und MfS-Getreuen besetzt“ (1.454) werden. Nach Ansicht von Richter haben die Bürger tatsächlich also bis zum Schluss gegen einen totalitären Staat revoltiert – und zwar gegen einen Staat, der „seit dem Ende der Breschnew-Doktrin aus eigener Entscheidung totalitär war“ (1.462). Der entscheidende Antrieb der Demonstranten aber war der „Wille, ein Leben wie die Menschen in den westlichen Staaten, insbesondere der Bundesrepublik, zu führen“ (1.484) – weshalb die „‚Bürgerrevolution’ des Herbstes 1989 und die Demonstrationen für die deutsche Einheit“ (1.488) nicht zu trennen seien.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.314 | 2.315 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Michael Richter: Die Friedliche Revolution. Göttingen: 2009, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/30577-die-friedliche-revolution_36309, veröffentlicht am 24.07.2009. Buch-Nr.: 36309 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken