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Agnieszka Zagańczyk-Neufeld

Die geglückte Revolution. Das Politische und der Umbruch in Polen 1976-1997

Paderborn u. a.: Ferdinand Schöningh 2014; 454 S.; 44,90 €; ISBN 978-3-506-76619-9
Geschichtswiss. Diss. Bochum; Begutachtung: S. Plaggenborg, W. Borodziej. – Schon seit Längerem bilden konflikttheoretische Ansätze – vor allem die Arbeiten von Chantal Mouffe – einen beliebten Anknüpfungspunkt in der Demokratietheorie. Agnieszka Zagańczyk‑Neufeld unternimmt den lohnenswerten Versuch, Mouffes Denken auf die geschichtswissenschaftliche Forschung anzuwenden. Dabei arbeitet die Autorin mit den Mitteln der Diskursanalyse, was vor dem Hintergrund des Themas überzeugt. Sie untersucht die Geschichte der geglückten polnischen Revolution (die nicht „das eine“ Datum kennt, sondern richtigerweise als Transformationsprozess geschildert wird) anhand einer Rekonstruktion der Debatten zwischen Partei und Opposition. Beide Lager werden in ihrer Heterogenität dargestellt, womit die gängige „Wir‑Sie“‑Unterscheidung relativiert wird. Der verwandte Quellenkorpus im Zeitraum zwischen 1976 und 1997 umfasst öffentlich zugängliche „Zeitschriftenartikel, Briefe, Tagebücher, Autobiographien, Memoiren, wissenschaftliche und populärwissenschaftliche Bücher, Notizen, Berichte, Gremienprotokolle, Appelle, politische Programme und Parlamentsdebatten, öffentliche Reden, aber auch einige literarische Texte“ (13), die nach Regierungs‑ und Oppositionsseite unterschieden werden. Der Autorin gelingt anhand des Quellenmaterials die Darstellung von Diskurssträngen, die trotz der unterschiedlichen Auffassungen ihrer Urheber einen geteilten Kommunikationsraum und die sukzessive Herausbildung geteilter Bezugspunkte kennzeichnen. Im Fazit konstatiert sie: „Das Kriegsrecht löste eine breite Diskussion über Grenzen der politischen Feindschaft und über Möglichkeiten ihrer Überwindung aus. Aus existenziellen Feinden wurden politische Gegner, die bei allen Unterschieden eine Gemeinsamkeit hatten: Sie haben die Notwendigkeit der Veränderungen erkannt und wollten im Dialog miteinander die Veränderungen schrittweise vornehmen. Dabei richteten sie sich nach dem Verständnis des Politischen, dessen ideengeschichtliche Wurzeln im polnischen Positivismus liegen“ (349). Die These ist im positiven Sinne streitbar und muss, auch vor dem Hintergrund aktueller Entwicklungen, sicherlich relativiert werden, zumindest liefert sie keine monokausale Erklärung der polnischen Transformation. Der Autorin ist jedoch ein lohnenswertes Buch gelungen, weil sie aufzeigt, wie Pluralisierungs‑ und Kommunikationsprozesse selbst unter den Bedingungen der diktatorischen Repression zur Verständigung beitragen. Außerdem zeigt sie, welche langfristigen Folgen die (selbst‑ und fremdbestimmte) Exklusion aus solchen öffentlichen Diskussionsprozessen hat – nämlich in Bezug auf die „rechte Opposition“, deren heutiges Handeln damit verständlicher wird. Die Partei „Recht und Gerechtigkeit“ ist, wie es Zagańczyk‑Neufeld treffend formuliert, das „Ergebnis eines langen Konfliktes, der 1976 begonnen hat“ (350).
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Rubrizierung: 2.612.22.222.25 Empfohlene Zitierweise: Markus Linden, Rezension zu: Agnieszka Zagańczyk-Neufeld: Die geglückte Revolution. Paderborn u. a.: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39429-die-geglueckte-revolution_46250, veröffentlicht am 25.02.2016. Buch-Nr.: 46250 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken