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Ottmar Schreiner

Die Gerechtigkeitslücke. Wie die Politik die Gesellschaft spaltet

Berlin: Propyläen Verlag 2008; 271 S.; geb., 19,90 €; ISBN 978-3-549-07349-0
„Die soziale Ungleichheit hat inzwischen Ausmaße angenommen wie nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Wer hier nicht entgegensteuert, spielt mit dem Feuer: Nur noch 15 Prozent der Bundesbürger, so eine Studie der Bertelsmann Stiftung aus dem Jahr 2007, hält diesen Staat noch für gerecht.“ (9) In dieser von ihm angeprangerten Gerechtigkeitslücke sieht Schreiner, seit 1980 Bundestagsabgeordneter der SPD, Sprengstoff für den sozialen Zusammenhalt unserer Gesellschaft. Er beobachtet ein Dahinschwinden der Mittelschicht, verbunden mit einem gestiegenen Armutsrisiko. Dies treffe besonders Kinder. Vor allem Jungen aus proletarischen Migrantenfamilien seien in einem System, dass die Chance auf Bildung immer stärker vom Geldbeutel der Eltern abhängig mache, von vornherein chancenlos. Den Umbruch im deutschen Parteiensystem sieht er als eine weitere Konsequenz dieser sozialen Erosion. Ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, erörtert der Autor Themen wie Hartz IV, Altersarmut und den ökonomischen Kulturkampf. Letzterer manifestiere sich verstärkt auf europäischer Ebene. Dort verortet der Autor auch seine Lösungsansätze. Er fordert die Festschreibung einer sozialen Fortschrittsklausel in der EU-Verfassung sowie ein Europäisches Sozialmodell, das jedem Beschäftigten ein Leben in Würde und ohne materielle Abhängigkeiten garantiere. Diese Forderungen bedingen die Bekämpfung des Sozialdumpings, die Festlegung nationaler Grundsicherungs- und Mindestrentenniveaus sowie größere finanzielle Spielräume im Sozialbereich. Nur so könnten der wachsende Niedriglohnsektor und die Massenarbeitslosigkeit in Europa eingedämmt werden. Europaweit gültige Mindeststandards in einem so grundlegenden Bereich wie den Arbeitnehmerrechten hätten darüber hinaus das Potenzial, die Europäische Idee wieder stärker in der Bevölkerung zu verankern. Eine Chance, die genutzt werden sollte.
Marinke Gindullis (MG)
Politikwissenschaftlerin.
Rubrizierung: 2.342 | 2.343 | 2.3 | 3.5 Empfohlene Zitierweise: Marinke Gindullis, Rezension zu: Ottmar Schreiner: Die Gerechtigkeitslücke. Berlin: 2008, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/29736-die-gerechtigkeitsluecke_35219, veröffentlicht am 03.02.2009. Buch-Nr.: 35219 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken