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Adam Markus

Die Geschichte des ungarischen Nationalismus

Frankfurt a. M. u. a.: Peter Lang 2013; 146 S.; brosch., 24,95 €; ISBN 978-3-631-62563-7
In Ungarn lasse sich ein „rasantes Anwachsen des Nationalismus, Antisemitismus und militanten Rechtsextremismus“ beobachten, schreibt Adam Markus. Bei den Wahlen von 2010 siegten rechte und rechtsextreme Parteien, Fidesz erlangte die parlamentarische Zweidrittel‑Mehrheit und Jobbik entwickelte sich zu einer „Großpartei“ (11). Warum haben sich viele Ungarn für sie entschieden? Bei der Suche nach Antworten auf diese Frage geht der Autor von der These aus, dass zum Verständnis der heutigen politischen Lage ein Rückblick auf die zurückliegenden 150 Jahre notwendig ist. Denn nationalistische Politiker und Parteien beriefen sich oftmals auf die Geschichte und versuchten ihre Vorstellungen mit historischen Vergleichen zu belegen. Seine geschichtliche Skizze beginnt mit der Revolution im Jahre 1848 und reicht bis zu den Wahlen 2010, in deren Folge Viktor Orbán zum Premierminister gewählt wurde. Dabei nimmt Markus auch die Entstehung des ungarischen Nationalismus in den Blick, der schon lange existiert: Die ersten rechtsradikalen Parteien etablierten sich zu Beginn der Horthy‑Ära, die erste sei die 1922 gegründete „‚Überregionale National‑Sozialistische Partei‘“ (53) gewesen. Auch den Antisemitismus in Ungarn hält der Autor für kein modernes Phänomen, vielmehr sei dieser bereits in der Zeit der österreichisch‑ungarischen Monarchie aufgetreten und habe sich vom vorherigen „‚Antijudaismus‘“ (49) unterschieden. Markus attestiert dem Land also eine „sehr starke nationalistische Tradition“, die weit ins 19. Jahrhundert zurückreiche und auch in vielen politischen Lagern vertreten sei. Bereits seit der Herausbildung der Nationalstaaten habe sich das Land „in der Defensive gegenüber den Nationalitäten in der Nachbarschaft“ gesehen, was sich nach dem Ersten Weltkrieg noch verstärkt habe. „Die schlechte Grenzziehung und die großen ungarischen Minderheiten in den Nachbarstaaten vergiften seitdem die ungarische Politik, wie die politische Landschaft des ganzen Karpatenbeckens.“ (117) Der ungarische Nationalismus sei durch die nachteilige wirtschaftliche Entwicklung der vergangenen 100 Jahre noch verstärkt worden. Das Land, das sich mehrheitlich als Teil Westeuropas sehe, leide unter der peripheren Lage innerhalb Europas. Es sei ihm zu keiner Zeit gelungen, eine wirtschaftliche Blüte zu entfalten. Aktuell werde Ungarn stark von ausländischen Firmen dominiert, infolgedessen schätzten die Mittel‑ und Oberschichten ihre Chancen für den wirtschaftlichen Aufstieg als gering ein. Diese zählten aber zu den Trägern des ungarischen Nationalismus.
Sabine Steppat (STE)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.612.12.22.222.232.254.1 Empfohlene Zitierweise: Sabine Steppat, Rezension zu: Adam Markus: Die Geschichte des ungarischen Nationalismus Frankfurt a. M. u. a.: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37153-die-geschichte-des-ungarischen-nationalismus_45315, veröffentlicht am 05.06.2014. Buch-Nr.: 45315 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken