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Juliane Seehase

Die Grenzschutzagentur FRONTEX. Chance oder Bedrohung für den Europäischen Flüchtlingsschutz

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2013 (Nomos Universitätsschriften: Recht 820); 380 S.; brosch., 98,- €; ISBN 978-3-8487-0740-9
Rechtswiss. Diss. Bielefeld; Gutachter: F. C. Mayer, C. Gusy. – Bietet die Grenzschutzagentur Frontex eine Chance für den europäischen Flüchtlingsschutz oder stellt sie eher eine Bedrohung für eine den Menschenrechten und humanitären Grundsätzen verpflichtete Politik gegenüber Flüchtlingen dar? Zwischen diesen beiden Polen verläuft die öffentliche Diskussion: Einerseits kann Frontex als ein Ausdruck der mitgliedstaatlichen Bereitschaft verstanden werden, die komplexe Aufgabe der Migration an den Außengrenzen gemeinsam bearbeiten zu wollen. Andererseits atmet die Organisation den Geist der Abwehr von Einwanderung, und es gibt immer wieder Berichte über offenkundige Verstöße gegen europäisches und internationales Recht im Rahmen von Frontex‑Operationen. Vor diesem Hintergrund beschreibt Seehase zunächst, was im deutschen, europäischen und internationalen Recht unter dem Begriff „Flüchtling“ verstanden wird, und widmet sich dann den rechtlichen Grundlagen der Grenzschutzagentur. Dabei werden Auftrag, Struktur und Kompetenzen von Frontex systematisch vor dem Hintergrund des Einwanderungs‑ und Asylrechts der EU diskutiert. Insofern bietet die Arbeit aus politikwissenschaftlicher Perspektive zunächst eine gründliche und übersichtliche Untersuchung der rechtlichen Dimension des Grenzschutzes durch Frontex. Für eine rechtswissenschaftliche Arbeit ist es allerdings nicht selbstverständlich, dass auch die praktische Arbeit von Frontex in den Blick genommen wird. Dafür hat die Autorin keine eigenen empirischen Daten erhoben, sondern bezieht sich auf die Jahresberichte der Agentur und auf die Presseberichterstattung. Die Kontrastierung der abstrakten Rechtsnormen mit der Praxis im Mittelmeer und an den östlichen Außengrenzen hilft jedenfalls, ein breiteres Wissen über die Agentur zu gewinnen. Die Bilanz ist ambivalent: Seehase konstatiert eine mangelnde Respektierung der Menschenrechte, eine Politik der Abschottung und eine mangelhafte Abstimmung der nationalen Asylbehörden. Der organisatorische Rahmen von Frontex könne aber auch eine „Chance“ (345) sein, wenn er für eine dem Flüchtlingsschutz verpflichtete Politik genutzt werde. Voraussetzung dafür wären aber entsprechende politische Vorgaben. Indes: Ob sich Frontex tatsächlich, wie von Seehase resümiert, in der Grenzkontrolle „in einer leitenden Funktion etabliert“ (342) hat, ob sie „entscheidenden Einfluss auf die aktuelle Einwanderungs‑ und Grenzpolitik der EU“ (342) nimmt, darf bezweifelt werden. Die nationalen Behörden und die zuständigen Ministerien dürften weiterhin die entscheidenden Spieler auf diesem Feld sein. Diese Frage zu klären, war aber nicht die Absicht der Juristin, sondern bleibt sozialwissenschaftlicher Forschung vorbehalten.
Wilhelm Knelangen (WK)
Dr., wiss. Ass., Institut für Sozialwissenschaften (Bereich Politikwissenschaft), Universität Kiel.
Rubrizierung: 3.63.53.3 Empfohlene Zitierweise: Wilhelm Knelangen, Rezension zu: Juliane Seehase: Die Grenzschutzagentur FRONTEX. Baden-Baden: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37582-die-grenzschutzagentur-frontex_45577, veröffentlicht am 25.09.2014. Buch-Nr.: 45577 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken