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Claas Triebel / Tobias Hürtler

Die Kunst des kooperativen Handelns. Eine Agenda für die Welt von morgen

Zürich: Orell Füssli 2012; 224 S.; brosch., 16,95 €; ISBN 978-3-280-05470-3
„So kann es nicht weitergehen.“ (17) – Dass die Konzepte Wachstum, Konkurrenz und Homo oeconomicus an ihre Grenzen gekommen sind, ist seit dem Beginn der gegenwärtigen Wirtschafts‑ und Finanzkrise eine weitläufig diskutierte Einschätzung. Stattdessen nun also: Kooperation. Was eigentlich so nahe liegend klingt, wenn es um die nachhaltige Realisierung menschlicher Gestaltungsansprüche auch weit jenseits der Politik geht, erweist sich bei näherer Betrachtung als altbekannter, jedoch auch als hochkomplizierter Zusammenhang. Die Autoren nähern sich der Erschließung von Kooperation als künftig erstrebenswerter Praxis auf historisch‑theoretischem Weg und definieren sie wie folgt: „Zwei oder mehr Menschen kooperieren, wenn sie sich in einer Beziehung befinden, die ihnen hilft, ihre Ziele und Pläne zu verwirklichen.“ (21) Damit zielt Kooperation mehr auf den Gemeinschafts‑ als auf den Gesellschaftsaspekt menschlichen Lebens, sie findet in eher exklusiven, kleineren, zweckorientierten Gruppen statt. Damit deckt Kooperation etwa auch jenes Politikverständnis mit ab, das sich als partizipatorisch oder republikanisch bezeichnen lässt – im Unterschied etwa zu einer liberalen Demokratievorstellung, die sich in der umfassenden Rechtegarantie erschöpft. Was die konkreten Praxisfelder kooperativen Handelns anbelangt – den Autoren geht es dezidiert um die konstruktive Beratung zur Ermöglichung solchen Handelns –, so finden sich die üblichen Verdächtigen, von der familiären, über mehrere Generationen reichenden Kooperation über Wikipedia bis hin zum Ehrenamt. Aber auch für die repräsentative Demokratie finden sich einige spannende Überlegungen. Wenn die Autoren – zurecht – darauf verweisen, dass sowohl die gegenwärtige Sachzwangsrhetorik, das Nullsummenspiel des parteipolitischen Konkurrenzdrucks und die komplette Visionslosigkeit der Politik in eine regelrechte Abwendung von der Demokratie führen, dann bleiben – trotz aller Sympathie für den Ansatz – die etwaigen Alternativkonzepte noch etwas schwachbrüstig. Ja, wir sollten in Deutschland über mehr Bürgerbeteiligung nachdenken, über mehr direkte Mitbestimmung, aber was wenn, wie die Friedrich‑Ebert‑Stiftung festgestellt hat, in manchen Landesteilen schon ein Viertel der Bevölkerung zum sogenannten abgehängten Prekariat gehört – für jegliche politische Beteiligung schlicht und ergreifend langfristig nicht mehr erreichbar ist? – Um nicht missverstanden zu werden: Dieser Band über das Thema Kooperation ist eine richtige und wichtige, von den Autoren plausibel und gut lesbar aufbereitete, absolut empfehlenswerte Lektüre für einen gegenwärtig sehr notwendigen gesellschaftlichen Selbstverständigungsdiskurs. Indes, es besteht Nachholbedarf in konzeptioneller Hinsicht – damit am Ende eben nicht der Satz bleibt: „Ja, in Finnland ist alles besser.“ (179)
Matthias Lemke (LEM)
Dr. phil., Politikwissenschaftler (Soziologe, Historiker), wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.22 | 2.2 | 5.42 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Claas Triebel / Tobias Hürtler: Die Kunst des kooperativen Handelns. Zürich: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/9214-die-kunst-des-kooperativen-handelns_43165, veröffentlicht am 21.03.2013. Buch-Nr.: 43165 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken