
Die Metamorphosen der sozialen Frage. Eine Chronik der Lohnarbeit. Aus dem Französischen von Andreas Pfeuffer
Die Konzepte Castels stehen mittlerweile im Zentrum der sozialwissenschaftlichen Debatte um Prekarisierung und gesellschaftliche Entkoppelung. In seiner wegweisenden Studie, die erstmals 2000 auf Deutsch erschien, beschäftigt Castel vor allem die Frage, wie die Lohnarbeit von einem verächtlichen und würdelosen Modell der Produktion von Gütern zur Wohlstand, Sicherheit und soziale Integration gewährleistenden Norm werden konnte. Dem Konzept einer „Geschichte der Gegenwart“ folgend, zielt er mit dieser Untersuchung dann auf die heutige Lage der Auflösung der Lohnarbeitsgesellschaft. Diese zeigt sich vor allem in der Zunahme atypischer Beschäftigungsverhältnisse (Leiharbeit, befristete Verträge, Praktika anstelle von Verträgen etc.) und in der verfestigten Massenarbeitslosigkeit („die Überzähligen“ [392]) sowie in der daraus resultierenden Absturzbedrohung der noch in regulärer Lohnarbeit integrierten Schichten. Mit dem Konzept der gesellschaftlichen Zonen der Integration, der Verwundbarkeit, der Fürsorge und der Entkoppelung stellt Castel Begriffe vor, mit denen sich die neue soziale Frage beschreiben lässt. In der Konsequenz zeigt sich für Castel, dass die Lohnarbeit ihre Rolle als herausragendes Medium gesellschaftlicher Integration verloren hat. Diese Diagnose der desintegrativen Wirkungen der neuen sozialen Frage ist für eine Politikwissenschaft, die sich zentral mit dem Problem politischer Einheitsbildung zu befassen hat, von hoher Relevanz.