Die Bundeswehr, das verantwortliche Ministerium und der Wehretat stehen schon länger im Fokus einer sich distanzierenden Öffentlichkeit. Mit dazu beigetragen haben sicherlich auch die Skandale der vergangenen Jahre, ausgelöst durch die (politische) Führungsebene, Einsatzpannen und Ausrüstungsmängel. Diverse Verteidigungsminister wollten die Bundeswehr modernisieren, gaben sich dabei die Klinke in die Hand. Das Ministerium selbst gilt als nahezu unregierbar. Kurz: Diese Bundeswehr hat ein Problem. Wie soll also eine Neuausrichtung aussehen? Joachim Jens Jesse setzt mit seiner Analyse zu einem Zeitpunkt an, an dem dieser Prozess gegen viele Widerstände schon im vollen Gange ist. Im Rahmen der Konversion zieht sich die Bundeswehr aus der Fläche zurück. Die Truppenstärke wird seit Aussetzung der Wehrpflicht an moderne Taktik‑ und Strategievorgaben angepasst, die Verbände werden umgebaut und flexibilisiert, die Einsatzmöglichkeiten demzufolge ausgeweitet. Längst ist wieder die Rede davon, die Truppe im Inneren einzusetzen. Die Haushaltsdisziplin trifft auf ein nur für Insider verständliches Beschaffungswesen, dessen fintenreiches Vertragsgebaren selbst jahrelange Lieferverzögerungen zur Fußnote werden lässt. Das alles und noch sehr viel mehr ist Jesse bewusst. Er fügt die einzelnen Fakten souverän zu einem Gesamtbild zusammen, das die Bundeswehr mitten in einer durch diverse bündnispolitisch bedingte Auslandseinsätze erschwerten und auch deshalb von Teilen der Öffentlichkeit nicht goutierten Transformation zeigt. Auf der Basis der Literatur (Stand 2013) hinterfragt Jesse dieses Bild mithilfe von Interviews, die ihm von der ministerialen Führungsspitze aus einen interessanten Einblick in die Baustelle Bundeswehr erlauben. Vergleiche mit Neuausrichtungen in anderen NATO‑Staaten liegen nahe und fließen in ein eigenes Kapitel ein. Jesse beschränkt sein Fazit auf zwölf Leitsätze, etwa zu den Beharrungskräften im Ministerium, zur mangelnden politikstrategischen Untermauerung von Auslandseinsätzen oder zum Trilemma Personal, „Ausrüstung und Armee im Einsatz“ (213). Die Reform ist noch nicht abgeschlossen (Stand 2014) – und kann es angesichts der internationalen Sicherheitslage auch nicht sein.