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Die neue Nationale Sicherheitsstrategie der Trump-Administration. Kernaussagen auf dem Prüfstand

15.03.2018
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Prof. Anthony H. Cordesman

Assurance and Deterrence 160817 F YG789 219Auf der Andersen Air Force Base, Guam. (U.S. Air Force Photo by Senior Airman Jovan Banks)

 

1. Einleitung

Die zunehmende parteipolitische Polarisierung in Washington schlägt sich in der Einseitigkeit von Analysen und Kommentaren auf beiden Seiten nieder. Das ist besonders dann der Fall, wenn Präsident Donald Trump Themen aufgreift, mit denen er seine Kernanhängerschaft anspricht oder mit denen er die wichtigsten Parolen seines Wahlkampfes wiederholt. Seine Gegner und Kritiker sehen sich dann veranlasst, sich auf jene Aussagen zu konzentrieren, die die größten Kontroversen hervorrufen, weniger aber auf das, was er tatsächlich tut. Seine Anhänger hingegen konzentrieren sich auf die Wiederholung der Parolen seiner Wahlkampagne. Dies hatte zur Folge, dass die meisten Beobachter bei der Vorstellung der Nationalen Sicherheitsstrategie am 18. Dezember 2017 lediglich Trumps kurze und hochpolitische Ansprache zur Kenntnis genommen haben, nicht aber das 55 Seiten umfassende Dokument.

Präsident Donald T. Trumps neue Nationale Sicherheitsstrategie (NSS) verdient jedoch sorgfältig gelesen und analysiert zu werden. Das gilt insbesondere für Amerikas Verbündete und strategische Partner und für jene Beobachter, die auf alles, was aus dem Weißen Haus kommt, reflexartig mit beißender Kritik reagieren. Es ist ein Dokument, das Präsident Trump durchgesehen hat, das im Sinne seiner Anregungen abgeändert wurde und das seine Weltsicht repräsentiert. Es ist kein Dokument eines innerbürokratischen Kompromisses. Dieses Dokument ist wichtig, weil es im Duktus der klassischen Themen der US-amerikanischen Strategie verbleibt – und diese nicht zurückweist – und weil es die USA darauf verpflichtet, ihre traditionelle Führungsrolle für die freie Welt zu wahren.

2. „America First“ bedeutet keinen Isolationismus

Eines der wichtigsten Aspekte des Dokuments ist die Definition von „America First“. Die hier gewählte Definition weist deutlich jenen Isolationismus zurück, der von Beratern des Präsidenten intendiert war, die diesen Begriff geprägt hatten, bevor dieser sein Nationales Sicherheitsteam ernannte. Die in der Nationalen Sicherheitsstrategie verwendete Definition geht davon aus, dass die USA Stärke benötigen, um ihren internationalen Verpflichtungen zu genügen und die strategische Konkurrenzsituation sowohl mit Russland wie mit China durchzustehen.

„Ein Amerika, das Zuhause sicher, wohlhabend und frei ist, ist ein Amerika mit der Stärke, dem Selbstvertrauen und dem Willen, im Ausland zu führen. Es ist ein Amerika, das den Frieden bewahren, die Freiheit aufrechterhalten und dauerhafte Vorteile für das amerikanische Volk schaffen kann. Amerika an die erste Stelle zu setzen, ist die Pflicht unserer Regierung und die Grundlage für eine Führungsrolle der USA in der Welt.

Ein starkes Amerika ist nicht nur im Interesse der amerikanischen Bevölkerung, sondern auch all derer in der Welt, die mit den Vereinigten Staaten zusammenarbeiten wollen, um gemeinsame Interessen, Werte und Ziele zu verfolgen. Diese nationale Sicherheitsstrategie stellt Amerika an die erste Stelle.

[...] Unsere Gründungsprinzipien haben die Vereinigten Staaten zu der größten Kraft für das Gute in der Welt gemacht. Aber wir sind uns auch bewusst, dass wir unsere Errungenschaften schützen und auf diesen aufbauen müssen, immer im Bewusstsein, dass die Interessen des amerikanischen Volkes unseren wahren Leitstern darstellen. Amerikas Errungenschaften und Ansehen in der Welt waren weder vorprogrammiert noch zufällig. Vielfach mussten die Amerikaner sich gegen gegnerische Mächte behaupten, um unsere Sicherheit, unseren Wohlstand und die Prinzipien, die uns am Herzen liegen, zu bewahren und zu fördern. Die Vereinigten Staaten festigten diese militärischen Siege mit politischen und wirtschaftlichen Triumphen, die auf Marktwirtschaft und fairem Handel, demokratischen Prinzipien und gemeinsamen Sicherheitspartnerschaften basierten.

[...] Die Vereinigten Staaten werden auf die wachsenden politischen, wirtschaftlichen und militärischen Wettbewerbe reagieren, mit denen wir weltweit konfrontiert sind. China und Russland fordern die amerikanische Macht, ihren Einfluss und ihre Interessen heraus und versuchen, die amerikanische Sicherheit und den Wohlstand zu untergraben. Sie sind entschlossen, Volkswirtschaften weniger frei und weniger fair zu machen, ihre Streitkräfte zu vergrößern und Informationen und Daten zu kontrollieren, um ihre Gesellschaften zu unterdrücken und ihren Einfluss auszuweiten. [...] Diese Wettbewerbe erfordern, dass die Vereinigten Staaten ihre Politik der letzten zwei Jahrzehnte überdenken – eine Politik, die auf der Annahme basiert, dass der Dialog mit Rivalen und ihre Einbeziehung in internationale Institutionen und den globalen Handel sie zu gutartigen Akteuren und vertrauenswürdigen Partnern machen würde. Diese Prämisse erwies sich größtenteils als falsch.

Rivalisierende Akteure benutzen Propaganda und andere Mittel, um die Demokratie zu diskreditieren. Sie fördern antiwestliche Ansichten und verbreiten falsche Informationen, um unter uns, unseren Verbündeten und unseren Partnern Spaltungen hervorzurufen. Darüber hinaus verbreiten dschihadistische Terroristen wie ISIS und al-Qaida weiterhin eine barbarische Ideologie, die die gewaltsame Beseitigung von Regierungen und Unschuldigen fordert, die sie für religiös Abtrünnige halten. Diese dschihadistischen Terroristen versuchen, die unter ihrem Einfluss stehenden Personen dazu zu zwingen, sich der Scharia zu unterwerfen.

Amerikas Militär bleibt das stärkste der Welt. Die US-Überlegenheit ist jedoch rückläufig, da konkurrierende Staaten ihre konventionellen und nuklearen Streitkräfte modernisieren und ausbauen. Viele Akteure können mittlerweile ein breites Arsenal fortgeschrittener Raketen einsetzen, die Varianten einschließen, die das amerikanische Heimatland erreichen können. Der Zugang zu Technologie befähigt und ermutigt ansonsten schwache Staaten. Nordkorea – ein Land, das sein eigenes Volk hungern lässt – hat Hunderte von Millionen Dollar für nukleare, chemische und biologische Waffen ausgegeben, die unser Heimatland bedrohen könnten. Weiterhin sind mittlerweile viele Akteure in der Lage, unterhalb der Schwelle zu einem militärischen Konflikt zu operieren – indem sie die Vereinigten Staaten, unsere Verbündeten und unsere Partner mit feindseligen, aber abstreitbaren Handlungen herausfordern. Unsere Aufgabe besteht darin, sicherzustellen, dass die militärische Überlegenheit Amerikas nach wie vor Bestand hat, und dass diese in Kombination mit anderen Elementen nationaler Macht bereit und in der Lage ist, die Amerikaner vor komplexen Herausforderungen für die nationale Sicherheit zu schützen.

Der Informationswettbewerb beschleunigt diese politischen, wirtschaftlichen und militärischen Wettbewerbe. Die Verfügung über Daten und Energieträger wird den wirtschaftlichen Wohlstand der USA und unsere künftige strategische Position in der Welt prägen. Die Fähigkeit, die Macht der Daten nutzbar zu machen, ist grundlegend für das anhaltende Wachstum der amerikanischen Wirtschaft, die Oberhand gegen feindliche Ideologien und für den Aufbau und Einsatz des effektivsten Militärs der Welt. Wir haben die harte Lektion gelernt, dass bösartige Akteure die Lücke zum Nachteil der Vereinigten Staaten füllen, wenn Amerika nicht führt. Falls Amerika jedoch aus einer Position der Stärke und des Selbstvertrauens, in Übereinstimmung mit unseren Interessen und Werten führt, profitieren alle.

Auch wenn Wettbewerb nicht immer Feindseligkeit bedeutet, noch unvermeidlich zu Konflikten führt, sollte niemand unsere Bereitschaft zur Verteidigung unserer Interessen infrage stellen. Ein Amerika, das erfolgreich konkurriert, ist der beste Weg, um Konflikte zu verhindern. So wie die amerikanische Schwäche zur Herausforderung einlädt, verhindern amerikanische Stärke und Zuversicht Krieg und fördern den Frieden.“

Die Wortwahl ist anders als in vergleichbaren Dokumenten, die von früheren Administrationen veröffentlicht wurden. Aber es wird klar die Notwendigkeit ausgesprochen, dass die USA ihre Führungsrolle in der Welt weiter wahrnehmen sollen. Dies wird auch in den weiteren Abschnitten der NSS deutlich.
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Der vollständige Aufsatz ist erschienen in: SIRIUS – Zeitschrift für Strategische Analysen, Band 2, Heft 1, Seiten 58–69: https://www.degruyter.com/view/j/sirius.2018.2.issue-1/sirius-2018-0007/sirius-2018-0007.xml?format=INT

 

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30. Januar 2018


SIRIUS: Kurzanalyse

Die Trump-Präsidentschaft – Jahr 2

Kluge Beobachter der amerikanischen Republik wie George Kennan und Arthur Schlesinger urteilten schon vor Jahrzehnten in den Worten John Steinbecks: „Wir geben dem Präsidenten mehr Arbeit, als ein Mann tun kann, mehr Verantwortung als ein Mann tragen sollte, mehr Druck als ein Mann aushalten kann [...] er gehört uns, und wir üben das Recht aus, ihn zu zerstören.“ Die Verantwortung eines Präsidenten der Vereinigten Staaten ist so groß, dass er sich selbst unter normalen Umständen nur auf eine Handvoll Großprojekte gleichzeitig konzentrieren kann. Seine einzige Chance, erfolgreich zu sein, besteht darin, ohne Rücksicht Prioritäten zu setzen und sich auf die Bürokratie der Exekutive zu verlassen, die von fähigen Stellvertretern überwacht wird. Aber Donald Trump hat dieses präsidentielle Dilemma ganz bewusst verschärft.

Nach einem Jahr mit Donald Trump im Weißen Haus muss man mehr denn je zwischen der Bürde des Amtes und dem Druck, den eine irrationale Persönlichkeit mit sich bringt, unterscheiden. Die meisten Sorgen, die die Trump-Präsidentschaft hervorruft, rühren jedoch von seinen bewussten Bemühungen her, an zwei Fronten Krieg zu führen – einerseits gegen das nationale politische Establishment und andererseits gegen den internationalen Multilateralismus.
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