Skip to main content
Erich Schmidt-Eenboom / Ulrich Stoll

Die Partisanen der NATO. Stay-Behind-Organisationen in Deutschland 1946-1991

Berlin: Ch. Links Verlag 2015; 304 S.; hardc., 22,- €; ISBN 978-3-86153-840-0
Beleuchtet wird ein bisher wenig beachteter Aspekt der Wiederbewaffnung Westdeutschlands. Die Historiker Erich Schmidt‑Eenboom und Ulrich Stoll werten erstmals freigegebene Akten des Bundesnachrichtendienstes (BND) über geheime Partisanengruppen aus, die als sogenannte Stay‑Behind‑Organisationen (SBO) nachrichtendienstlich aktiv sein und Widerstand gegen eine potenzielle sowjetische Besatzung leisten sollten. Die Autoren schildern chronologisch die strukturellen und personellen Verbindungen deutscher und ausländischer Geheimdienstbehörden gegenüber dem „neuen Feind im Osten“ (19) nach dem Zweiten Weltkrieg sowie detailreich auch Rekrutierungstaktiken, versteckte Ausrüstungslager, Trainingsabläufe sowie konkrete Kriegsplanungen, die der BND teilweise noch bis 1990 verantwortete. Die Archive offenbaren, dass „selbst die Beteiligung am Holocaust und der Ruf, auch nach dem Untergang des Dritten Reiches noch überzeugter Nationalsozialist zu sein, kein Hinderungsgrund“ (19) für eine Rekrutierung als Agent darstellten. Dessen wichtigste Eignung wurde in der Nachkriegszeit vielmehr in einem „glaubensfeste[n] Antikommunismus“ (19) gesehen. Prominentes Beispiel für den erfolgreichen Aufbau einer SBO ist der durch den US‑amerikanischen Geheimdienst finanzierte Verein „Bund Deutscher Jugend“, in dessen paramilitärischem Arm „Technischer Dienst“ ehemalige SS‑ und Wehrmachtsangehörige auf Sabotageaktionen gegen wichtige Infrastruktureinrichtungen und sogar Attentate auf Politiker vorbereitet wurden. Auch nach der offiziellen Wiederbewaffnung unterhielt der BND ein eigenes SBO‑Netz aufrecht, obwohl – anders als in den 1950er‑Jahren – etwa die Bundeswehr im Verteidigungsfall nicht von massiven Gebietsverlusten ausging. Die Ausführungen zeigen, wie sich die nachrichtendienstlichen Aktivitäten jahrelang der parlamentarischen Kontrolle entziehen konnten. Nicht nur historisch, sondern auch vor dem Hintergrund der Mordserie des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ und seinen unklaren Verbindungen zum Verfassungsschutz liefern die Autoren damit einen wichtigen aufklärerischen Beitrag.
{SJS}
Rubrizierung: 2.3132.3242.374.3 Empfohlene Zitierweise: Sven-Jacob Sieg, Rezension zu: Erich Schmidt-Eenboom / Ulrich Stoll: Die Partisanen der NATO. Berlin: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/40142-die-partisanen-der-nato_47791, veröffentlicht am 03.11.2016. Buch-Nr.: 47791 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken