
Die politische Kultur des Faschismus. Stätten totalitärer Diktatur in Italien
Diss. Münster; Gutachter: H.-U. Thamer, S. Reichardt. – Vor dem Hintergrund des politischen Erbes und Umgangs mit dem Faschismus seit den neunziger Jahren entwirft Vollmer ein Bild des lokalen Faschismus anhand zweier ausgewählter Städte (Arezzo und Terni). Er zeigt exemplarisch den Aufstieg und Erfolg faschistischer Rituale in Verbindung mit lokalen Traditionen. Dabei fragt Vollmer kritisch, inwieweit ein faschistischer Kulturbegriff in sich widersprüchlich und überhaupt auf seine Untersuchungsobjekte anwendbar ist. Er plädiert deshalb er für ein weit gefasstes Konzept, „das Kultur als Prozess der Bedeutungsermittlung“ (109) und als Erzeugen von Meinungen versteht. In diesem methodischen Rahmen gelingt es Vollmer, die verwendeten Mythen, Symbole und Rituale als Teil faschistischer Wirklichkeitskonstruktionen herauszuarbeiten und aufzuzeigen, wie sich diese politischen Erzeugnisse faschistischer Kultur mit den lokalen Besonderheiten (Feste, Trauer- und Totenfeiern) verbinden konnten. Dem faschistischen Regime schlugen in Arezzo nachweislich ab 1929 Hingabe und Zustimmung entgegen, bis hin zu Patriotismus und Zusagen, dem „Duce“ uneingeschränkt zu folgen. Die Durchdringung von faschistischen Doktrinen erfolgte auch im stärker vom Arbeitermilieu geprägten Terni, wo jedoch die Massenarbeitslosigkeit nach der Weltwirtschaftskrise zu größerem Misstrauen gegenüber der Regierung führte und auch der Kult um Rom und Mussolini insgesamt weniger Eindruck hinterließen. Detail- und kenntnisreich schildert Vollmer die weiteren Phasen stärkerer und abnehmender Zustimmung in den beiden italienischen Städte bis zum Ende des Krieges und gelangt damit zu einem differenzierten Bild von der Gefolgschaft der Italiener gegenüber der faschistischen Diktatur. Neben dieser exzellenten Analyse lokaler Bedingungen für die Ausbreitung des Faschismus überzeugt auch die profunde Untersuchung des Romkultes, der von den lokalen Machthabern zur Anschlussfähigkeit an das faschistische Selbstbild einer Romanità gewinnbringend instrumentalisiert wurde.