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Yang Xianhui

Die Rechtsabweichler von Jiabiangou. Berichte aus einem Umerziehungslager. Aus dem Chinesischen von Katrin Buchta

Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2009 (edition suhrkamp 2591); 251 S.; 16,- €; ISBN 978-3-518-12591-5
Das Buch ist eine Art chinesische Variation von Solschenizyns „Ein Tag im Leben des Iwan Denissowitsch“ – so wie dieser 1962 den grausamen Alltag eines Lagerinsassen im Archipel Gulag schilderte und dies auch veröffentlichen konnte, nimmt sich der Schriftsteller Yang der früher in einem chinesischen Speziallager Inhaftierten an. Sein Bericht erschien 2003 in China etwas verschleiert als „fiktionale Literatur“ (14), der Autor gewann damit sogar den Preis „Beste Kurzgeschichte“ der Chinesischen Vereinigung für Kurzgeschichtenautoren, wie im Vorwort erläutert wird. Diese Einordnung als fiktionale Literatur offenbart eine versteckte Meinungsvielfalt, die – wie die damalige Publikation Solschenizyns – überrascht: Geschildert werden die Erfahrungsberichte von Männern, die zwischen 1957 und 1960 zusammen mit etwa dreitausend anderen Intellektuellen und ehemaligen Regierungsbeamten der Provinz Gansu in das Lager Jiabiangou deportiert worden waren. Ihnen wurde vorgeworfen, „Rechtsabweichler“ zu sein, also von der Linie der Kommunistischen Partei abgewichen zu sein. Schon im ersten Bericht wird deutlich, dass dieser Vorwurf von den Mächtigen genutzt wurde, unliebsame Kritiker loszuwerden. Betroffen waren davon auch überzeugte Kommunisten wie Xi Zongxiang. Dieser war sich zwar überhaupt keiner Verfehlung bewusst, dachte aber aufgrund der Deportationsentscheidung, etwas falsch gemacht zu haben. „Ich war entschlossen, mich von Grund auf zu ändern und ein neuer Mensch zu werden.“ (97) Dazu bot sich keine Möglichkeit. Die angekündigte Umerziehung bestand aus unmenschlichen Lebensumständen und schrecklichem Hunger – die Regierung verweigerte jede Unterstützung mit Lebensmitteln, alles sollte selbst erarbeitet werden. Im Dezember 1960 kam eine Untersuchungsgruppe der Regierung dann ebenso willkürlich, wie zuvor die Verhaftungen erfolgt waren, zu dem Ergebnis, dass die Provinzregierung mit der politischen Säuberungsaktion zu weit gegangen war. Anfang 1961 wurde eine Amnestie für die Lagerinsassen erlassen. Als „die Rechtsabweichler abgeholt werden sollten, waren aber nur noch 500 Menschen am Leben“ (8).
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.682.25 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Xianhui Yang: Die Rechtsabweichler von Jiabiangou. Frankfurt a. M.: 2009, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/31649-die-rechtsabweichler-von-jiabiangou_37714, veröffentlicht am 04.02.2010. Buch-Nr.: 37714 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken