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Jan Hoffmeister

Die somatische Differenz. Europäische Vorstadtrevolte und afroamerikanischer Diskurs

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2015 (Studien zur Politischen Soziologie 31); 362 S.; brosch., 69,- €; ISBN 978-3-8487-1970-9
Diss. FU Berlin; Begutachtung: W. Fluck, H. Brunkhorst, A. R. Schäfer. – Jan Hoffmeister geht es um ein Spannungsverhältnis: „hier die Identität, dort das moderne Recht“ (20). Der liberale Verfassungsstaat – die Errungenschaft der westlichen Moderne – spricht jedem Individuum die gleichen Rechte zu; dennoch ist die gesellschaftliche Realität durchzogen von Rassismus und Diskriminierung, so seine Beobachtung. Das Ignorieren der Tatsache, dass Menschen mit schwarzer Hautfarbe in den USA – hier das Ausgangsbeispiel – diskriminiert werden, sei der liberalen Theorie inhärent, kenne sie doch keine Gruppen, denen gesonderte Rechte zuzugestehen wären. Hoffmeister vertritt die Ansicht, dass – zugespitzt formuliert – die Diskriminierung somit Teil des Systems ist. Darauf folgt die These, dass der liberale Verfassungsstaat gar nicht neutral ist, sondern von denjenigen, die ihn geschaffen haben, genutzt wird, um den eigenen Status zu verteidigen. Für diese Argumentation durchpflügt der Autor die westliche Ideengeschichte des liberalen Denkens und interpretiert den liberalen Verfassungsstaat nicht als zwangsläufiges historisches Konstrukt, sondern als rechtlichen Rahmen des Kapitalismus, der wiederum nach den Prinzipien von Egoismus und Eigennutz funktioniert. Verwoben ist die Ausführung dieser Thesen mit der Darstellung des politischen Denkens der Afroamerikaner, festgemacht an dem Bürgerrechtler und Philosophen Du Bois, dessen in Deutschland gesammelten Eindrücken und an Max Weber geschultem Denken; die Originalfassung des Buches trägt denn auch den Titel „Racial Recognition: W. E. B. Du Bois and the American Dilemma“. Die weiteren Kapitel legen den Eindruck nahe, dass Hoffmeister diese Verbindung zwischen Rechtsstellung, Kultur und Hautfarbe – ohne mit dem in Bezug auf den Afroamerikanismus etablierten Konzept von race explizit zu arbeiten – dem Vergleich zugänglich machen will. Interpretiert werden unter anderem „Othello“ von Shakespeare, der Film „Mein wunderbarer Waschsalon“ von Hanif Kureishi oder die Revolten in den französischen Banlieues, die Betrachtung endet irgendwo bei der Artikulation von Ausgrenzung in der deutschen Rapmusik. Dabei basiert die ganze Interpretation auf Heidegger – was den Untersuchungsgegenstand keinesfalls erhellt. Eine klare Gedankenführung fehlt, die Kapitelüberschriften haben mitunter kaum mit dem Text zu tun, der zudem schlampig übersetzt ist und vor Tipp‑ und Kommafehlern strotzt. Eine wissenschaftliche Einleitung mit Darstellung von Fragestellung und theoretischem Ansatz fehlt ebenso wie Schlusswort und Literaturverzeichnis. So ist der Text allenfalls eine interessante, wenn auch chaotische Rohfassung.
{NW}
Rubrizierung: 2.235.422.352.612.64 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Jan Hoffmeister: Die somatische Differenz. Baden-Baden: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38952-die-somatische-differenz_47220, veröffentlicht am 08.10.2015. Buch-Nr.: 47220 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken