
Die Taliban in den Stammesgebieten Pakistans. Eine sicherheitspolitische Analyse der Jahre 2001-2011
Diss. Kiel; Begutachtung: J. Krause, C. Wagner. – Carsten Michels untersucht die Genese und Struktur der Taliban, die nicht nur in Afghanistan, sondern auch und insbesondere in den paschtunischen Stammesgebieten im Westen Pakistans an Einfluss gewonnen haben. Diese Organisation sei durch den von den USA angeführten Krieg gegen den Terrorismus gestärkt worden. Währenddessen seien die Erfahrungen staatlicher Akteure aus der britischen Kolonialzeit im Umgang mit der Stammesbevölkerung in Vergessenheit geraten. Der Gewaltkonflikt zwischen offiziellem Sicherheitsapparat und tribalen Einflussträgern, die sich staatlicher Herrschaft widersetzten, schaffe zudem seine eigenen strukturellen Bedingungen, indem beispielsweise Stammesälteste gezielt getötet worden seien: „Die seit der britischen Kolonialzeit aufgebauten Kontrollmechanismen [sind] irreparabel zerstört“ (385) – die alten, seit der Kolonialzeit praktizierten Kontrollen des Staates gegenüber der Bevölkerung, die auf persönlichen Loyalitäten und Abhängigkeiten basierten, greifen also nicht mehr. Allein durch Sicherheitsinstitutionen könne die Gewalt folglich nicht eingedämmt werden. Michels macht deutlich, welche strategischen und politischen Erwägungen einzelne Zweige des Sicherheitsapparats zugleich antreiben, die islamistischen Gruppen als „strategische Reserve“ (204) behalten zu wollen, obwohl deren Kampagne auch andere Teile Pakistans betreffe und der pakistanische Sicherheitsapparat einen hohen Blutzoll zu entrichten habe. Zum einen spiele dabei die Rolle Indiens in der direkten Konfrontation, aber auch hinsichtlich des Einflusses auf Afghanistan eine wesentliche Rolle; zum anderen liege der Fokus auf der prekären Balance unterschiedlicher Regionen und Volksgruppen innerhalb des Staates Pakistan. Die Konfliktdynamik sei einerseits durch lokale Rekrutierung und persönliche Bindung an die Gewaltgruppierung geprägt, werde aber andererseits durch eine national bezogene militante Ausbildung und internationale Indoktrination erweitert. So zeigt Michels die Dilemmata, die sich zwischen repressiver Reaktion oder gewaltsamer Niederschlagung und einer umfassenden Demokratisierung mit Reform der Herrschaftsstrukturen gegenüber dem paschtunischen Aufstand eröffnen. Zwar bietet er eine detaillierte Analyse, doch bleiben die von ihm präsentierten entwicklungspolitischen Lösungsoptionen doch eher konventionell.