Die Werteordnung des Grundgesetzes
Politologische Einführungen zum Thema Verfassung sind leider Mangelware, obwohl sie sind angesichts der Bedeutung einer Verfassung für die Politik in pluralistischen Gemeinwesen überfällig sind, will man die Deutungshoheit nicht allein, wie in Deutschland üblich, dem Diskurs der Staatsrechtler überlassen. Detjen sieht – im Gegensatz zu so manchen Juristen – aber ganz klar, wie stark politische Grundorientierungen und Weltanschauungen das Vorverständnis von Verfassungen und ihrer Auslegung prägen. Dies wird schon am Titel der Arbeit mit der „Werteordnung“ in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts deutlich. Der Autor wählt einen eigenen, gerade für eine grundständige Einführung gelungenen didaktischen Zugang in einer Mischung aus artikelbezogenem Kommentar und systematisch angelegtem Lehrbuch. Das Grundgesetz wird so anhand von 27 zentralen Verfassungswerten entfaltet (Menschenwürde, Freiheit, Sicherheit, Demokratie, Ehe und Familie, freie Wirtschaft, Pluralismus, gemäßigte und begrenzte Herrschaft, Rechtssicherheit, Wehrhaftigkeit, Frieden, Umwelt etc.). Positiv anzumerken ist auch, dass Detjen eine klare Stellungnahme nicht scheut (z. B. in seiner Kritik an der „Menschenwürde-Abwägung“, S. 78 ff.). Allerdings übernimmt er so manche problematische Position, die selbst in der konservativen Staats- und Verfassungslehre (noch) eher randständig ist. Zu kritisieren ist ebenfalls die Übernahme einiger Positionen, die zwar im Staatsrecht bisweilen vertreten werden, aber ohne weitere Differenzierung angesichts neuerer Forschung als überholt oder zumindest sehr umstritten gelten. Das gilt z. B. für das „Grundrecht auf Sicherheit“ von Isensee (98), Depenheuers „Bürgeropfer“ (249) bzw. für die These von Weimar als wehrloser Republik (hierzu schon Gusy: 1991) oder den Zusammenhang von Rechtspositivismus und Nationalsozialismus (36; hierzu Wittreck: Nationalsozialistische Rechtslehre und Naturrecht, 2008).