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Martin Weber

Ein Europa? Die europäische Integration in der russischen Historiographie nach 1985

Köln/Weimar/Wien: Böhlau Verlag 2013; 263 S.; geb., 39,90 €; ISBN 978-3-412-21058-8
Diss. Basel; Begutachtung: G. Kreis, H. Haumann. – Die Frage der Zugehörigkeit Russlands zu Europa wird bis in die Gegenwart kontrovers diskutiert. Ihre Beantwortung hängt auch davon ab, ob mit dem Begriff Europa hauptsächlich die in der Europäischen Union integrierten Länder gemeint sind. Martin Weber analysiert in diesem Kontext, wie sich die sowjetische und russische Historiografie zum europäischen Integrationsprozess positioniert. Er konzentriert sich dabei auf drei Themenkomplexe, die in den beiderseitigen Beziehungen wichtig sind: Europäisierung und Modernisierung, Normen und Recht, Russland und bzw. in Europa. Als Quellenbasis dienen ihm sowohl die historiografische Literatur seit dem Beginn der Perestroika 1985 nach dem Amtsantritt von Michail Gorbatschow als auch die neueste Literatur aus postsowjetischer Zeit. Die Untersuchung verläuft chronologisch anhand verschiedener Epochen der europäisch‑russischen Beziehungen: der ersten Phase des Kalten Krieges 1945 bis 1962, der „Anerkennung der Realität“ (78) nach Mauerbau und Kubakrise 1962 bis 1985, der Glasnost‑ und Perestroika‑Politik Gorbatschows 1985 bis 1991 und der Periode des postsowjetischen Russlands nach 1991. Die Positionierungen der russischen Historiker zum Integrationsprozess und zu den beiderseitigen Beziehungen werden einem idealtypischen Raster zugeordnet und damit in vom Autor identifizierte Hauptschulen eingeteilt, die Werte‑ und Interessenorientierungen zwischen den Polen europhil, eurozentrisch, russophil und russozentrisch aufweisen. Wertvoll ist in diesem Zusammenhang die einleitende Vorstellung wichtiger Historiker, deren Œuvre in Deutschland oft nur Spezialisten geläufig ist. Ergänzt wird diese Vorstellung durch eine umfangreiche Bibliografie, die auch zahlreiche Titel aufweist, die nicht in die engere Analyse einbezogen wurden. Weber konstatiert, dass „die russische Wissenschaft dem Phänomen der europäischen Integration mit Offenheit und teilweise großer Detailkenntnis gegenüber[steht]“ (208). Dabei dominiere ein „europhil‑russozentrische[r] Ansatz, der sich zwar an (gesamt‑)europäischen Werten orientiert, für Russland jedoch einen an eigenen Interessen orientierten Weg sucht“ (211).
Martin Munke (MUN)
M. A., Europawissenschaftler (Historiker), wiss. Hilfskraft, Institut für Europäische Studien / Institut für Europäische Geschichte, Technische Universität Chemnitz.
Rubrizierung: 5.22.623.1 Empfohlene Zitierweise: Martin Munke, Rezension zu: Martin Weber: Ein Europa? Köln/Weimar/Wien: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/36290-ein-europa_43686, veröffentlicht am 17.10.2013. Buch-Nr.: 43686 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken