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Julius H. Schoeps / Anna-Dorothea Ludewig (Hrsg.)

Eine Debatte ohne Ende? Raubkunst und Restitution im deutschsprachigen Raum

Berlin: Hentrich & Hentrich 2014; 314 S.; überarb. und akt. Neuausgabe; brosch., 19,80 €; ISBN 978-3-95565-057-5
„‚Man sagt Holocaust und meint Geld‘“ – diese Überschrift aus einer großen deutschen Tageszeitung wirkt auf Julius Schoeps „geradezu obszön“ (15). Denn sie unterstelle, dass die Erben von NS‑Verfolgten, die Raubkunst zurückforderten, aus Geldgier handelten. Der Direktor des Moses Mendelssohn Zentrums für europäisch‑jüdische Studien und Mitherausgeber dieses Sammelbandes sieht viele Defizite im Umgang Deutschlands mit Kunstwerken, die unter dem Verdacht der Raubkunst stehen. Von circa 6.000 deutschen Museen haben nur 350 mit Provenienz‑Recherchen begonnen. Dem steht eine Zahl von etwa 600.000 Kunstwerken gegenüber, die in der Nazizeit unrechtmäßig zu Niedrigpreisen abgepresst oder geraubt wurden. In Deutschland werden insgesamt mehrere Tausend Raub‑Kunstwerke vermutet. Im staatlichen Besitz sollen sich mehrere Hunderte befinden, einige davon wohl sogar an den Wänden von Bundestagsbüros. Ernsthafte Provenienzforschung bedeutet nach Ansicht von Schoeps, zu fragen, welchem Druck die Eigentümer durch NS‑Verfolgung ausgesetzt waren und unter welchen Umständen der Besitzwechsel verlief. Doch die Erben der Opfer treffen mit ihren Anfragen oft auf eine Mauer aus Schweigen, taktlose Bürokratie und beharrliche Abwehr durch deutsche Kuratoren und Sachbearbeiter. Schoeps plädiert für eine unabhängige Provenienzrecherche, die nicht mehr in erster Linie der Abwehr von Ansprüchen dient. Der frühere Kulturstaatsminister und Verleger Michael Naumann weist ebenfalls auf bedenkliche Auswüchse der jüngsten Raubkunst‑Debatte hin: Die moralische und oft auch rechtliche Pflicht der Restitution werde von einigen Kommentatoren auf materielle Aspekte reduziert. Es werde unterstellt, dass hinter den Forderungen, neben profitgierigen US‑Anwälten und deren Mandanten, teilweise ein begehrlicher Kunstmarkt stecke, der nach neuer Ware verlange. Diese Sichtweise lehnt Naumann ab. Er erkennt hier den Wunsch nach einem Schlussstrich unter Wiedergutmachung und Versöhnungsarbeit und betont: „In letzter Instanz geht es um Schuld und Schuldbewusstsein im Schatten deutscher Vergangenheit.“ (223) Der Sammelband ist das Ergebnis einer Konferenz, die 2007 im Moses Mendelssohn Zentrum in Potsdam stattfand. In den zurückliegenden sieben Jahren habe sich leider nichts Grundlegendes verändert, noch immer seien keine geeigneten Instrumente gefunden worden, „um das komplexe Problem“ (6) Restitution zu bewältigen, bedauern die Herausgeber anlässlich der aktuellen Neuauflage.
{WDE}
Rubrizierung: 2.352.3432.42.52.232.2632.63 Empfohlene Zitierweise: Wolfgang Denzler, Rezension zu: Julius H. Schoeps / Anna-Dorothea Ludewig (Hrsg.): Eine Debatte ohne Ende? Berlin: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38166-eine-debatte-ohne-ende_46502, veröffentlicht am 12.03.2015. Buch-Nr.: 46502 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken