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Bruno Latour

Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft. Einführung in die Akteur-Netzwerk-Theorie

Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2010 (suhrkamp taschenbuch wissenschaft 1967); 488 S.; 17,00 €; ISBN 978-3-518-29567-0
Die Begriffe und Kategorien der klassischen Soziologie eignen sich in den Augen Latours nicht, um die komplexe globalisierte Welt des 21. Jahrhunderts zu erfassen. Die Soziologie des Sozialen – so Latours Bezeichnung für die traditionelle Soziologie – konzipiere das Soziale als Substanz, die durch spezifische Eigenschaften gekennzeichnet sei und so einen eigenen Bereich der Wirklichkeit darstelle, abgetrennt von anderen Gebieten wie beispielsweise Ökonomie oder Recht. Dem setzt er seine Vorstellung von einer „Soziologie der Assoziationen“ entgegen, die sich dem Kollektiv über die Idee der Versammlung nähert. Als Akteur-Netzwerk-Theorie – „ein Name, der so ungeschickt, verwirrend und unsinnig ist, daß er beibehalten zu werden verdient“ (23) – ist Latours Ansatz auch außerhalb der Soziologenzunft bekannt. Mit diesem Band liegt eine systematische Darstellung dieses alternativen theoretischen Ansatzes vor: Das Soziale ist für den Soziologen viel umfassender als normalerweise angenommen wird. Es besteht nicht nur aus menschlichen, sondern auch aus nichtmenschlichen Entitäten, die sich immer wieder aufs Neue verbinden. Aufgabe der Soziologie ist es, die sich ständig neu bildenden Gruppierungen und Umgruppierungen in den Blick zu nehmen und die Verbindungen dieser Assoziationen zu beleuchten. Dabei soll die Aufgabe, das Soziale zu definieren und zu ordnen, nicht vom Analytiker übernommen werden, sondern von den Akteuren, deren Spuren beim Prozess des Verbindens nachgezeichnet werden. Latour geht davon aus, dass Ordnung so besser zu finden ist. Die Thesen des Autors muten provokant an, wenn er Verbindungen zwischen „Elektronen und Wählern, mit genetisch manipulierten Lebewesen und NGOs gleichzeitig“ (446) zu betrachten gedenkt. Aus Latours Sicht genügt jedoch für „den neuen Wein der neuen Assoziationen […] der staubige alte Schlauch nicht mehr.“ (446).
Johannes Jüde (JÜ)
Student, Geschwister-Scholl-Institut, LMU München, Hochschule für Philosophie München.
Rubrizierung: 5.2 | 5.42 Empfohlene Zitierweise: Johannes Jüde, Rezension zu: Bruno Latour: Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft. Frankfurt a. M.: 2010, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/32893-eine-neue-soziologie-fuer-eine-neue-gesellschaft_39289, veröffentlicht am 13.10.2010. Buch-Nr.: 39289 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken