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Christian Pfarr

Einkommen, Mobilität und individuelle Präferenzen für Umverteilung. Ein Discrete-Choice-Experiment

Tübingen: Mohr Siebeck 2013 (Beiträge zur Finanzwissenschaft 30); XVI, 281 S.; brosch., 64,- €; ISBN 978-3-16-152471-4
Wirtschaftswiss. Diss. Bayreuth; Begutachtung: V. Ulrich, P. Zweifel. – Die Frage nach der – gerechten – Verteilung von Einkommen in der Gesellschaft ist von höchster gegenwartsdiagnostischer Relevanz, man denke etwa an die These von der zunehmenden Erosion der Mittelschicht. Christian Pfarr verfolgt mit seiner Dissertation das Ziel, „erstmals repräsentativ die Präferenzen deutscher Bürger für staatliche Umverteilung zu erfassen“ (13). Zudem ermittelt er, welche spezifischen ökonomischen Faktoren die Bürger in ihren Präferenzen für bestimmte Umverteilungsmaßnahmen beeinflussen. Dazu bedient er sich des Discrete‑Choice‑Experiments (DCE), dessen Methodik einer mikroökonomischen Perspektive folgt und ursprünglich im Bereich des Marketings eingesetzt wurde. Im Rahmen von DCE werden – basierend auf der Annahme rational, also nutzenmaximierend und kostenminimierend agierender Individuen – „sequentielle Entscheidungsfindungsprozesse“ (105) modelliert, mit denen Proband_innen in einem experimentellen Umfeld konfrontiert werden. Mit Blick auf die berüchtigte Schere zwischen Arm und Reich, die sich durch staatliche Umverteilungspolitik (also etwa durch Steuern oder Sozialpolitik) weiter öffnen oder auch schließen ließe, konzediert Pfarr, dass die von den Bürger_innen wahrgenommene Öffnung der Schere eine zutreffende Beobachtung darstellt. Auch die grundsätzliche Fähigkeit des Staates, umverteilend einzugreifen, lasse sich bestätigen. Pfarrs Interpretation der Daten zeigt, dass die Bürger_innen in Deutschland eine „Ausdehnung“ (260) – man könnte auch sagen: Konsolidierung – des Sozialstaates befürworten und zudem bereit sind, dafür zu zahlen. Diese Haltung findet sich in allen sozialen Schichten und widerspricht damit vehement „manchen parteipolitischen oder auch ökonomischen Forderungen nach einem schlanken Staat oder einer größeren Eigenverantwortung“ (262). Insofern der Staat mit Attributen wie Altruismus, Fairness und Gerechtigkeit assoziiert wird, erscheint er, der gegenwärtigen neoliberalen Ideologie zum Trotz, doch als tragfähige und von den Bürger_innen gewünschte Alternative zum Markt. Die Arbeit kann als ein herausragendes Beispiel der Verzahnung von Theorie und Empirie gelesen werden, das trotz des finanzwissenschaftlichen Schwerpunktes auch für die Debatte um die Postdemokratie von Bedeutung ist.
Matthias Lemke (LEM)
Dr. phil., Politikwissenschaftler (Soziologe, Historiker), wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.342 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Christian Pfarr: Einkommen, Mobilität und individuelle Präferenzen für Umverteilung. Tübingen: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35912-einkommen-mobilitaet-und-individuelle-praeferenzen-fuer-umverteilung_43747, veröffentlicht am 04.07.2013. Buch-Nr.: 43747 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken