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Ramon Leemann

Entwicklung als Selbstbestimmung. Die menschenrechtliche Formulierung von Selbstbestimmung und Entwicklung in der UNO, 1945-1986

Göttingen: V&R unipress 2013; 545 S.; geb., 69,99 €; ISBN 978-3-8471-0039-3
Diss. Zürich; Begutachtung: J. Fisch, D. Thürer. – Die Frage, um die es geht, steht gleich zu Anfang der propädeutischen Einleitung: „Wie haben die Entwicklungsstaaten im Kräftefeld des Kalten Krieges versucht, die Menschenrechtsplattform der UNO für die Umgestaltung der Weltwirtschaftsordnung in den Dienst zu nehmen?“ (17) Entwicklung und staatlich‑politische Autonomie, so zeigt Ramon Leemann, stehen in einem gewissen Widerspruch, da die weniger oder nicht entwickelten Staaten auf Unterstützung der entwickelten Staaten angewiesen sind, um sich mit der nötigen technischen Infrastruktur zu versorgen. Hieraus entstünden jedoch Abhängigkeiten, die sich letztlich in einer negativen Machtbilanz zuungunsten der in Entwicklung befindlichen Staaten auswirken würden. Leemann argumentiert, dass sich die in Entwicklung befindlichen Staaten dieses Dilemmas bewusst waren und darauf reagierten, indem sie den „prestigereichen Menschenrechtsbegriff [...] für die effektive Geltendmachung ihrer Anliegen“ ins Feld führten: „Die Entwicklungsstaaten waren bestrebt, die UNO‑Menschenrechtsplattform zu nutzen, um Legitimationen für die bestehenden weltwirtschaftlichen Verhältnisse zurückzuweisen und neue Arten der Legitimation für ihre Vorstellungen von einer gerechten Weltwirtschaftsordnung zu erzeugen.“ (21) Aus diesen Bemühungen resultierten zwei völkerrechtlich relevante Papiere, in denen die Vorstellung von Selbstbestimmung und Entwicklung als menschenrechtlich verankerte Anliegen formuliert wurden: einerseits der Einschluss des Selbstbestimmungsrechts der Völker in die beiden Menschenrechtspakte von 1966 und andererseits die Deklaration über das Recht auf Entwicklung von 1986. Leemann arbeitet seine außerordentlich gut lesbare Rekonstruktion immer wieder an exemplarischen Fallbeispielen (insbesondere Jugoslawien) aus und deckt dabei völkerrechtliche ebenso wie politische, historische und ökonomische Aspekte ab. Er kommt unter anderem zu dem Ergebnis, dass Entwicklung mehr und mehr als „Zugangsrecht der Staaten zu den für die Verwirklichung der Menschenrechte nötigen Mitteln“ (464) begriffen worden sei. Wie diese nötigen Mittel nachhaltig hätten bereitgestellt werden können, so Leemann, darüber war noch gar nicht nachgedacht worden.
Matthias Lemke (LEM)
Dr. phil., Politikwissenschaftler (Soziologe, Historiker), wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.
Rubrizierung: 4.34.14.42 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Ramon Leemann: Entwicklung als Selbstbestimmung. Göttingen: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37400-entwicklung-als-selbstbestimmung_43566, veröffentlicht am 14.08.2014. Buch-Nr.: 43566 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken