Erinnerungskulturen in transnationaler Perspektive/Memory Cultures in Transnational Perspective
Erinnerung und Transnationalität gehören zu wichtigen Forschungsparadigmen der interdisziplinären Kulturwissenschaften. Beiden Themenfeldern widmete sich eine Sommerschule des Graduiertenzentrums Geistes- und Sozialwissenschaften der Research Academy Leipzig im Herbst 2009. Von den dort präsentierten 60 Beiträgen werden hier 15 – paritätisch in deutscher und englischer Sprache – vorgestellt. Bis auf den einleitenden Aufsatz von Troebst, stellvertretender Direktor des Geisteswissenschaftlichen Zentrums Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas (GWZO) an der Universität Leipzig, kommen dabei Nachwuchswissenschaftler zu Wort, die aus aktuellen Projekten berichten. Diese Beiträge lassen sich drei Themenblöcken zurechnen – der Erinnerung an den Nationalsozialismus, den politischen Umbrüchen von 1989/90 sowie einem dezidiert in Leipzig verankerten Schwerpunkt, den Erinnerungskulturen in Süd- und Südosteuropa. Kirsten Gerland analysiert den Umbruch von 1989/90 aus generationengeschichtlicher Perspektive. Im Gegensatz zum Mythos von 1968 erscheint der Erinnerungsort 1989 zu plural, um als Fluchtpunkt für eine gemeinsame generationelle Erzählung dienen zu können. Felix Münch betrachtet geschichtspolitische Projekte des ehemaligen pro-westlichen Präsidenten der Ukraine Wiktor Juschtschenko. Mit den beiden Zielpunkten „Holodomor“ und „nationaler Befreiungskampf“ führte er die „staatlich gelenkte Geschichtsschreibung […] fort, […] um mit den nationalen Geschichtsnarrativen den politischen Anspruch auf den unabhängigen Staat zu legitimieren“ (199 f.). Andere Beiträge gehen auch über den europäischen Rahmen hinaus. Daniel Stahl etwa untersucht Geschichtspolitik und Holocaustgedenken im postperonistischen Argentinien, das als einziges südamerikanisches Land der Task Force für Internationale Kooperation bei Holocaust-Bildung, Gedenken und Forschung (ITF) angehört. Die entscheidenden Impulse für Aufarbeitungsaktivitäten kamen dabei durchweg aus dem Ausland, Argentinien sah sich damit mit seinem Image als beliebtem Fluchtland für NS-Funktionäre konfrontiert und reagierte darauf.