
Erziehung zur Armut? Soziale Arbeit und die 'neue Unterschicht'
Der Band ist der in Wissenschaft und politischer Öffentlichkeit (erneut) geführten Diskussion um „Prekariat“ und Unterschichten“ gewidmet. Es sollen die in der Debatte vorhandenen hegemonialen Strategien herausarbeitet werden. „Das 'Neue' an der 'neuen Unterschicht' ist unseres Erachtens, dass sie als Motor für politische Positionierungen dient, die sich vom bisherigen 'Lösungsmodell', dem Modell der Wohlfahrtstaatlichkeit aber verabschieden wollen“(10), schreiben die Herausgeber. Nicht der soziostrukturelle Befund, sondern die Moralisierung bestehender Milieus steht im Mittelpunkt der Auseinandersetzung. Dieser Prämisse folgend, interpretieren die Autoren die Idee nach mehr Verantwortung im aktivierenden Sozialstaat nicht nur als Elemente der Deregulierung und des Neoliberalismus, sondern als Versuch einer neokonservativen Hegemoniebildung postwohlfahrtstaatlicher Arrangements. Daher kennzeichnet die in Deutschland neue Debatte zwar einerseits ein hohes Maß an Distinktion, zielt aber andererseits mit ihren moralischen und pädagogischen Implikationen auf die Mittelschichten, deren Orientierungsmuster am Normalarbeitsverhältnis zunehmend vakant werden. Dabei ist für die Autoren mehr als fraglich, ob eine moralisch aufgeladene Debatte und die politisch-pädagogische Neuregulierung zur sozialen Integration beiträgt. Denn die neuen Leitideen kollidieren nicht nur mit der Idee der sozialen Gerechtigkeit im Wohlfahrtsstaat, sondern sind mittelbar auch an ökonomische Rahmenbedingungen geknüpft, für die es in strukturschwachen Regionen kaum Möglichkeiten auf Verwirklichung gibt. Daher sprechen die Autoren auch von einer zunehmenden Skepsis bis hin zur Abwendung von der Politik.