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Christoph Lütge

Ethik des Wettbewerbs. Über Konkurrenz und Moral

München: C. H. Beck 2014; 154 S.; 12,95 €; ISBN 978-3-406-66964-4
Verstärkter Wettbewerb führt zu ethischen Leistungen und dient ethischen Zwecken, wenn er zwischen den richtigen Akteuren stattfindet, ist sich Christoph Lütge, Professur für Wirtschaftsethik an der TU München, sicher. Die allgemeine gesellschaftliche Ablehnung von Konkurrenz und Ökonomisierung aus moralischen Gründen sind für ihn falsche Vorstellungen über die Funktionsweise von Gesellschaft und Ökonomie. Diese zunächst ebenfalls normative Grundhaltung versucht Lütge nach einer allgemeinen Begriffspräzisierung an ausgewählten Fallbeispielen – Umwelt, Bildung, Gesundheit – differenzierter zu untersuchen. Dies gelingt ihm mit unterschiedlichem Erfolg: Im Beispiel Umwelt weist Lütge die Kontraproduktivität von Moral im Wettbewerb in Bezug auf Biokraftstoffe in wissenschaftlicher Manier nach und stellt die Vorteile eines kompetitiven Handelns heraus. Doch hinsichtlich der Analyse des Bildungssektors und des Gesundheitswesens lassen sich einige kritische Bemerkungen nicht verhindern. Zunächst erfolgt eine fehlerhafte Anwendung der Luhmann‘schen Systemtheorie in Bezug auf die Einbindung des Wettbewerbs als „Grundkonstellation“ (97) im Bildungssektor, was Lütge jedoch als Hauptargument dafür, Wettbewerb „besser“ (98) zu gestalten, nutzt. Darüber hinaus übergeht er mit Blick auf das Gesundheitswesen grundlegende rechtliche Regelungen und sozialpolitische Pflichten, wie den Sicherstellungsauftrag der Länder, das Krankenhausfinanzierungsgesetz oder den Landeskrankenhausplan. Der eingangs genannte Vorwurf, es werde ausschließlich mit moralischen Argumenten diskutiert, kann an dieser Stelle entkräftet werden. Zudem widerspricht sich Lütge in seiner Argumentation an zentralen Stellen: Zunächst behauptet er ohne Beleg, dass Personalabbau zum System der Marktwirtschaft notwendig hinzugehört, um dann Wettbewerb im Pflegesektor zu postulieren und gleichzeitig festzustellen, dass tendenziell eher mehr Personal gebraucht wird. Die aus diesen Beispielen resultierende Frage nach dem Ordnungsrahmen und der Gestaltung des Wettbewerbs, also insbesondere zum Verhältnis zwischen staatlicher Regulierung und marktwirtschaftlicher Logik, ist nur zwischen den Zeilen zu erahnen und bleibt weitgehend unbeantwortet. Es bleibt bei allgemeinen Ausführungen und wirtschaftsideologischen Ideen. Somit verfällt Lütge in ein ähnliches Muster der normativ‑moralischen Argumentation, das er seinen Gegnern vorwirft.
{CHE}
Rubrizierung: 5.452.34 Empfohlene Zitierweise: Christian Heuser, Rezension zu: Christoph Lütge: Ethik des Wettbewerbs. München: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37939-ethik-des-wettbewerbs_46319, veröffentlicht am 08.01.2015. Buch-Nr.: 46319 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken