Europa im Schlepptau der Finanzmärkte
Die Krise in Europa, die je nach Schwerpunktsetzung als Schulden-, Währungs-, Staats- oder Transformationskrise definiert wird, scheint trotz EU-Sondergipfeln, Rettungsschirmen und Sparprogrammen nichts an ihrer Brisanz verloren zu haben. Dies liegt nach Einschätzung der vier Autoren vor allem an einem undemokratischen, zögerlichen und falschen Krisenmanagement. Europa hat sich dem Primat des Ökonomischen unterworfen, so der Vorwurf. Die Politik ist zusehends zu einem Spielball der Finanzmärkte geworden. Dadurch wurden nötige Strukturreformen wie die Regulierung des Finanzwesens weitestgehend unterbunden und die soziale Spaltung in Europa vorangetrieben. Lohnkürzungen, Arbeitslosigkeit, Zunahme atypischer und prekärer Beschäftigungsverhältnisse, Privatisierung öffentlicher Güter und Dienstleistungen usw. sind die Folgen. Während Deppe in seinem einleitenden Kapitel eine „kurze Krisengeschichte der europäischen Integration“ (9) skizziert und u. a. auf Lösungsansätze von Keynes und Roosevelt verweist, betont Urban in seinen Ausführungen die „strukturelle[n] Legitimationsprobleme der EU“. Nach Urban beruht die aktuelle europäische Krisenpolitik speziell auf „intransparenten und elitären Entscheidungsprozesse[n]“ (44) – basierend auf dem Grundsatz: „Stabilitätsgewinn durch Demokratieverzicht“ (50). Bischoff und Detje konstatieren abschließend, dass Europa sich „nicht am Ausgang, sondern inmitten einer Großen Krise“ (82) befindet, die aufgrund „finanzmarktkapitalistischer Fehlsteuerung“ (76) noch lange nicht überstanden zu sein scheint. Als Eckpfeiler eines zukünftigen Europas fordern sie u. a. eine koordinierte Tarifpolitik, die Erneuerung des europäischen Sozialmodells sowie die Durchsetzung einer europäischen Wirtschaftsdemokratie. Fazit: Dem Autorenquartett ist eine kurze und prägnante Übersicht über die Strukturen und Hintergründe der Eurokrise gelungen – ohne dabei mögliche Lösungswege und Alternativkonzepte außer Acht gelassen zu haben.