Das in der Präambel des EWG-Vertrages formulierte Ziel einer immer engeren Verknüpfung von Völkern und Staaten ist in der Praxis bislang weitgehend auf die staatliche Integration reduziert worden. Die damit verbundene Auseinanderentwicklung von Staaten und Gesellschaften gefährdet, so der Autor, die weitere Entwicklung des europäischen Einigungsprozesses. Daher fragt Leiße, wie die EU angesichts des Fehlens eines europäischen Volkes ihrem in der Präambel formulierten Auftrag nachkommen kann. In den ersten beiden Teilen stellt er unterschiedliche Spannungsmomente zwischen Staatlichkeit, Identität und Integration dar. Im dritten Abschnitt analysiert er die zuvor aufgeworfenen Konfliktfelder vor dem Hintergrund alternativer Verfassungsentwürfe, wobei der Schwerpunkt auf den Debatten im und rund um den europäischen Konvent liegt. Abschließend entwirft Leiße das Leitbild einer auf eine europäische Verfassung aufbauenden Europäischen Republik, die gleichermaßen als Verantwortungs-, Vertrauens- und Rechtsgemeinschaft konzipiert ist. Demokratische, soziale und rechtsstaatliche Werte und Ziele könnten hier aufgrund ihres nationenübergreifenden Charakters identitätsstiftend wirken. Was dies konkret in der Umsetzung bedeuten würde, wird hingegen nur knapp angerissen. Der Hinweis, dass eine „europäische Kollektividentität [...] eher End- als Ausgangsprodukt sein“ (273) kann impliziert, dass auch hier die staatliche Integration – wenn auch mit veränderten Inhalten – zunächst im Mittelpunkt steht. Wer allerdings die tragenden Akteure eines neuen Leitbildes sein könnten, bleibt unklar, zumal die gegenwärtige Situation eher als Problem mangelnder Bürgernähe denn als Institutionalisierung einer bestimmten Kräfte- und Interessenkonstellation charakterisiert wird. Dennoch wirft Leiße wichtige Fragen auf, skizziert Ansätze für ein integrationspolitisches Umdenken, sodass das Buch als Ausgangspunkt für eine weiterführende Debatte dienen kann.