Die gegenwärtige Krise der Europäischen Union führe nicht in ein Europa der Nationalstaaten zurück, so die übergreifende These des im Rahmen eines Graduiertenkollegs der Universität Essen entstandenen Sammelbandes. Die beteiligten Geistes- und Sozialwissenschaftler fragen im Gegenteil danach, ob sich auf der Grundlage bestehender Nationalstaaten, aber gemeinsamer Traditionen und Herausforderungen eine europäische Gesellschaft herausbildet. Konkret forschen die Autoren nach möglichen Grundlagen einer europäischen Zivilisation, gegenwärtigen Europäisierungsprozessen und gemeinsamer europäischer Politik. So einheitlich, wie der vorgegebene Rahmen vermuten lassen könnte, ist die Zusammenstellung der Texte nicht, was bei einem interdisziplinären Graduiertenkolleg aber auch nicht verwundert. Im ersten Teil des Bandes setzen sich die Autoren vor allem mit den Menschenrechten auseinander, die aufgrund ihrer Universalität und Abstraktheit schwerlich als alleinige Grundlage europäischer Zusammengehörigkeitsgefühle fungieren könnten. Im zweiten Teil werden verschiedene Formen der Europäisierung der Mitgliedstaaten untersucht und Beispiele europäischen Regierens in Teil drei genannt. Dabei wird deutlich, wie sehr die Förderung eines europäischen Selbstverständnisses der Bürger von der politischen Führung abhängt. Der Sammelband richtet sich zuvörderst an Leser, die bereits die grundlegenden Fragen und Standpunkte zur europäischen Gesellschaft kennen. Ihnen werden neue Einsichten aus der aktuellen Forschung geboten.