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Alexander Zier

Frankreichs Sicherheitspolitik. Effiziente Selbstbehauptung zu Gunsten Europas?

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2014; 507 S.; brosch., 89,- €; ISBN 978-3-8487-1077-5
Politikwiss. Diss. Heidelberg; Begutachtung: K. v. Beyme, F. Pfetsch. – Frankreich spielte nach dem Zweiten Weltkrieg innerhalb der westlichen Militär‑ und Sicherheitsstrukturen eine Sonderrolle und sprach sich stets gegen eine zu starke Dominanz und Abhängigkeit Europas von den USA aus. Dies äußerte sich im Rückzug aus den militärischen Strukturen der NATO und in dem Aufbau einer eigenen Atomstreitmacht – der Force de Frappe – sowie einem klaren Engagement für ein mächtigeres und unabhängigeres Europa („Europe Puissance“). Mit der unter Nicolas Sarkozy 2009 vollzogenen Reintegration in die militärischen Strukturen der NATO scheint ein bemerkenswerter Paradigmenwechsel vorzuliegen. Orientiert sich Frankreich zunehmend „atlantischer“ und weniger an Europa? Bedeutet dies eine Abkehr vom gaullistischen Erbe, das alle Präsidenten seither pflegten? Alexander Zier analysiert unter diesem Fragekomplex die französische Sicherheitspolitik in drei Phasen von 1945 bis 2009. Zunächst legt er die Prämissen der Republik während des Kalten Krieges dar und erläutert die Sicherheitskonzeption de Gaulles, für den die nationale Stärke zwingend von einem starken Europa abhing. Nach dem Fall der Berliner Mauer begann die zweite Phase, die Sicherheitspolitik wurde neu formuliert. Zwar schien mit dem Aufbau der Gemeinsamen Außen‑ und Sicherheitspolitik (GASP) eine Europäisierung einzusetzen und die NATO obsolet zu werden. Das Europa der Verteidigung, so zeigten es die kriegerischen Konflikte auf dem Balkan, blieb aber eine Illusion. Sicherheit war ohne die Unterstützung der NATO und insbesondere der USA nicht realisierbar. Folgerichtig erschienen daher die erste Wiederannäherung an das Verteidigungsbündnis und die partielle Rückkehr in deren militärische Struktur – bei gleichzeitiger Forderung nach einer stärkeren Europäisierung der Organisation. Die französische Politik hatte, so wird erkennbar, immer die Stärkung Europas zum Ziel. Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 setzte eine dritte Phase ein. Es ist zu einer weiteren Annäherung an die NATO gekommen, die – nur kurz unterbrochen durch die gravierenden Verstimmungen aufgrund des Irakkrieges – durch eine zunehmend multipolare Welt und ein gestiegenes Bedrohungspotenzial nötig geworden ist. Bei aller Annäherung ist insgesamt, so resümiert Zier in seiner sehr lesenswerten Arbeit, „mit der über diesen längeren Zeitraum nachgewiesenen, stufenweisen Zuwendung an die atlantischen Optionen innerhalb der französischen Sicherheitspolitik kein grundlegender politischer Wandel zu Ungunsten europäischer Optionen verbunden gewesen […]. Frankreich ist gaullistisch geblieben in dem Streben nach einer strategisch eigenständigen europäischen Handlungsfähigkeit in der Weltpolitik und verfolgt noch immer eine Politik der effizienten Selbstbehauptung zu Gunsten Europas“ (430).
Fabrice Gireaud (FGI)
M. A., Politikwissenschaftler, Doktorand und wiss. Mitarbeiter, Institut für Sozialwissenschaften und Philosophie, Universität Vechta.
Rubrizierung: 4.222.613.13.64.3 Empfohlene Zitierweise: Fabrice Gireaud, Rezension zu: Alexander Zier: Frankreichs Sicherheitspolitik. Baden-Baden: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37659-frankreichs-sicherheitspolitik_46179, veröffentlicht am 09.10.2014. Buch-Nr.: 46179 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken