Frau, gläubig, links. Was mir wichtig ist
Der Band der sozialdemokratischen Politikerin ist eine eigenwillige Mischung aus zeitgeschichtlicher Rückschau und politischen Reflexionen. Wie sie im Vorwort ausführt, hatte sie ursprünglich ein Buch über sozialdemokratische Zukunftskonzepte geplant, sich nach der Wahlniederlage vom September 2009 jedoch eines Anderen besonnen und den Schwerpunkt auf „eine Aufarbeitung des Gewesenen und gleichzeitig das Plädoyer für einen Neuanfang“ (7) gelegt. Mit einem Zitat Willy Brandts spricht sich Nahles für eine Kultur des Zweifels in ihrer Partei aus. Denn, so führt sie aus, im Reformprozess der Agenda 2010 hätten die Sozialdemokraten den eigentlich gebotenen Zweifel unterdrückt, keine Diskussion zugelassen und die Reformen als alternativlos hingestellt. Derart „haben wir jede intellektuelle Regung in der SPD abgewürgt“ (41). Insofern kritisiert sie die mangelhafte Kommunikation und die Logik der Sachzwänge der Regierung Schröder. Die politische Botschaft der Reformen sei für die Bürger nicht ausreichend in die kulturellen und emotionalen Bezüge ihres Wertesystems eingebunden worden, es fehlte die „politische Vision“ (45). Eine solche müsse auch, so die Autorin, im Hinblick auf die Veränderungen der Arbeitswelt entworfen werden und sie spricht „von der Würde der Arbeit“ (53). Durch Befristungen, Ausgliederungen oder Leiharbeit sei Arbeit für viele Menschen keine sichere Grundlage selbstbestimmten Lebens mehr. Um dies zu ändern, plädiert Nahles für eine „Rückbesinnung auf die soziale Marktwirtschaft“ (163). Mitbestimmung, Sozialpartnerschaftlichkeit und Flächentarifverträge müssten gestärkt werden. Denn mit Blick auf die Globalisierung hält sie fest, dass die soziale Marktwirtschaft dem Kapitalismus immer wieder durch politische und gesellschaftliche Anstrengungen abgerungen werden müsse. Und Nahles fordert eine Öffnung der Politik selbst: „Wir müssen die Politik an die Basis der Gesellschaft, an die Keimzellen des Bürgersinns und Engagements zurückführen“ (154). Das heißt für sie nicht nur bürgerliche Partizipation an Entscheidungsprozessen außerhalb, sondern auch innerhalb der Parteien.