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Sahra Wagenknecht

Freiheit statt Kapitalismus

Frankfurt a. M.: Eichborn 2011; 365 S.; 19,95 €; ISBN 978-3-8218-6546-1
Dass Sahra Wagenknecht etwas gegen die Beschlüsse der unter Gerhard Schröder eingeführten Arbeitsmarktpolitik einzuwenden hat, verwundert nicht. Auch die vehemente Ablehnung der derzeitigen kapitalistischen Gesellschaft ist nichts Neues. Etwas erstaunlich ist dann aber ihre positive Einschätzung ordoliberaler Vertreter. Sie machten sich „stark für eine funktionsfähige gesetzliche Renten- und Krankenversicherung und eine menschenwürdige Absicherung bei Arbeitslosigkeit“ (18). Liberalismus und Kapitalismus, so könnte man ableiten, sind also nicht per se ausbeutend und entfremdend, sofern ausreichend Kontrolle in staatlicher Hand verbleibt. Aber natürlich ist Wagenknechts Anliegen keine Verteidigung des Kapitalismus, vielmehr prognostiziert sie: „Der Kapitalismus kann ohne Wachstum nicht funktionieren, er kann aber nur wachsen, wenn dies ausreichend Profite abwirft, und an dieser Stelle tappt er in seine selbstgestellte Falle“ (147). Vor dem Hintergrund aufgezeigter sozialer, finanzieller und ökologischer Probleme plädiert Wagenknecht deshalb für einen „kreativen Sozialismus“ (345), der jenseits von ökodiktatorischen Tendenzen demokratisch und nachhaltig eine gesellschaftliche Alternative zum Kapitalismus bereitstellen soll. Dafür ist es zunächst notwendig, massiv Schulden zu erlassen, große Finanzkonzerne zu verstaatlichen, eine einmalige Vermögensabgabe zu erheben und Vermögen umzuverteilen. Wie wenig Wagenknecht dann wirklich über die inhaltliche Ausgestaltung des „kreativen Sozialismus“ schreibt, ist das zweite Erstaunliche: Sie diskutiert sehr wohl die negativen Entwicklungen der vergangenen Dekaden, aber selbst im Sozialismus-Kapitel erklärt sie überwiegend die Finanz- und Wirtschaftsstrukturen des Kapitalismus und ihre Vorschläge zum Übergang in den „kreativen Sozialismus“. Der eigentliche sozialistische Entwurf bleibt mehr als dürftig, Wagenknecht umreißt lediglich seine ökonomisch-nachhaltige Ordnung. Dass aber die Befreiung von kapitalistischer Ausbeutung und Unterdrückung nur die Grundlage für die im sozialistischen Sinne verstandene Freiheit ist, greift Wagenknecht nicht auf. Ihrem durch den Titel suggerierten Anspruch wird sie deshalb nur teilweise gerecht.
Ines Weber (IW)
M. A., Politikwissenschaftlerin (Kommunikationswissenschaftlerin, Psychologin), wiss. Mitarbeiterin, Institut für Sozialwissenschaften, Christian-Albrechts-Universität Kiel.
Rubrizierung: 2.3 | 2.331 Empfohlene Zitierweise: Ines Weber, Rezension zu: Sahra Wagenknecht: Freiheit statt Kapitalismus Frankfurt a. M.: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/33952-freiheit-statt-kapitalismus_40694, veröffentlicht am 21.07.2011. Buch-Nr.: 40694 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken