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Franziska Rogger

"Gebt den Schweizerinnen ihre Geschichte!" Marthe Gosteli, ihr Archiv und der übersehene Kampf ums Frauenstimmrecht

Zürich: Neue Zürcher Zeitung 2015; 395 S.; geb., 48,- €; ISBN 978-3-03810-006-5
Diese Tatsache wird oft zitiert, vielleicht weil sie so gar nicht zur starken demokratischen Tradition der Schweiz passen will: Erst ab 1971 durften in der Eidgenossenschaft auch Frauen landesweit wählen. Die Schweiz war damit im europäischen und globalen Vergleich ein ziemlicher Nachzügler. Wie war es den Frauen gelungen, dann doch an der Wahlurne gleichgestellt zu werden? Franziska Rogger, Historikerin und ehemalige Archivarin der Universität Bern, will darauf eine ganz eigene Antwort geben, die der bisherigen zeitgeschichtlichen Forschung widerspreche – „Die Schweizerinnen haben eine eigene, in sich selbst beruhende unverwechselbare Geschichte, nur wurde sie noch nie erzählt.“ (8) Die Einzigartigkeit liege nicht zuletzt darin, dass sich nirgends auf der Welt Frauen ihr Wahlrecht gegen eine männliche Übermacht so hätten erkämpfen müssen wie die Schweizerinnen, die dies friedlich und legal nur durch beharrliche Hartnäckigkeit geschafft hätten. Allerdings seien wichtige Quellen der geschichtlichen Ausarbeitung dieses politischen Kampfes bisher unterschlagen worden, kritisiert Rogger. Sie wertet diese Quellen nun aus und stellt den historischen Ablauf anhand der Biografie der Frauenrechtlerin Marthe Gosteli aus Bern dar. Das Anliegen der Autorin ist es klarzustellen, dass der Anteil der jungen, 68er‑geprägten Frauenbefreiungsbewegung im damaligen politischen Kampf bisher wiederholt stark überschätzt worden sei. Entscheidend sei vielmehr die von Marthe Gosteli geführte Arbeit der traditionellen und überparteilichen Arbeitsgemeinschaft der schweizerischen Frauenverbände für die politischen Rechte der Frau gewesen. „Sie allein verhandelte autorisiert und geheim mit Bundesbern, sie beschaffte Geld, Kontakte, Medienpräsenz.“ (166) Ungeprüft sei trotzdem immer wieder von Medien und Wissenschaft wiederholt worden, „dass doch nicht [die] alte, sondern die neue Frauenbewegung den Sieg im Frauenstimmrecht errungen habe“ (167). Rogger betont, ihr gehe es nicht um verletzte Eitelkeit oder späte Gerechtigkeit. Sie wolle aber verhindern, dass die wichtige und erfolgreiche Vorgeschichte der Schweizer Frauen in der Debatte um den Stimmrechtskampf verleugnet werde. Roggers Arbeit ist eine große Bewunderung für die Hauptprotagonistin Marthe Gosteli anzumerken und es wird deutlich, wie sehr der Autorin die Sache der Frauenrechtsbewegung immer noch am Herzen liegt.
{WDE}
Rubrizierung: 2.52.27 Empfohlene Zitierweise: Wolfgang Denzler, Rezension zu: Franziska Rogger: "Gebt den Schweizerinnen ihre Geschichte!" Zürich: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38849-gebt-den-schweizerinnen-ihre-geschichte_47271, veröffentlicht am 10.09.2015. Buch-Nr.: 47271 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken