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Eric Hobsbawm

Gefährliche Zeiten. Ein Leben im 20. Jahrhundert. Aus dem Englischen von Udo Rennert

München: Deutscher Taschenbuch Verlag 2006; 496 S.; kart., 14,50 €; ISBN 978-3-423-34284-1
Die Autobiografie eines der bedeutendsten Historiker nach dem Zweiten Weltkrieg weckt große Erwartungen. Hobsbawm ist in der Politikwissenschaft als Nationalismusforscher bekannt, wofür er weltbürgerliche Voraussetzungen mitbringt. Er, der sich selbst als „displaced person“ bezeichnet (14), wird 1917 als Sohn einer Österreicherin und eines Engländers in Alexandria geboren. Nach dem Krieg zog die Familie nach Wien, die Kindheitserinnerungen füllen die ersten Kapitel. Als Vollwaise kam er 1931 für zwei Jahre nach Berlin; diese Zeit sollte sein weiteres Leben prägen und sie gibt auch das Hauptthema der fünfhundert Seiten vor: den Kommunismus. Schon in Berlin wurde der Schüler aktiver Kommunist. 1935 begann er sein Studium in Cambridge, wo er Mitglied der Kommunistischen Partei wurde. Er vertrat radikale Ansichten und nahm im Rahmen der sogenannten Historikergruppe Einfluss auf die Entwicklung der Partei in Großbritannien. Hobsbawm blieb auch noch Parteimitglied, als die totalitären Ausmaße von Stalins Regime bekannt wurden, aber die Verbindung mit der Partei bestimmte nicht mehr sein Leben. Bis heute ist er der gescheiterten kommunistischen Idee treu geblieben, die in einer Welt des siegreichen Kapitalismus den trägen Gerechtigkeitsvorstellungen frischen Wind zufächele. Genauso kämpferisch gibt er sich der siegreichen Macht des Kalten Krieges, den USA, gegenüber, die er von längeren Arbeitsaufenthalten kennt. Andere Länder, die mit seinem Leben eng verknüpft sind und zum Panorama gehören, sind Frankreich, Spanien, Italien und einige Staaten Lateinamerikas. Der Rückblick endet mit einiger Verärgerung über die militärische und kommunikative Mobilmachung nach dem 11. September 2001. Die immer wieder ausgedrückte Hoffnung, mit seiner Lebensgeschichte und als Historiker dem 21. Jahrhundert etwas sagen zu können, klingt leicht resigniert. Und tatsächlich wird sich sein Traum von einer Menschheit nicht nur ohne Nationalismus, sondern auch ohne Großgruppenidentifikation vielleicht niemals verwirklichen lassen.
Guido Koch (GK)
Dr., Politikwissenschaftler, Qualitätsmanagment, GESIS - Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften.
Rubrizierung: 1.3 Empfohlene Zitierweise: Guido Koch, Rezension zu: Eric Hobsbawm: Gefährliche Zeiten. München: 2006, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/25788-gefaehrliche-zeiten_29935, veröffentlicht am 25.06.2007. Buch-Nr.: 29935 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken