Skip to main content
Alexander Dörrbecker (Hrsg.)

Geschichte und Freiheit. Ein Lord-Acton-Brevier

Zürich: Neue Zürcher Zeitung 2010 (Meisterdenker der Freiheitsphilosophie); 237 S.; brosch., 16,- €; ISBN 978-3-03823-612-2
„Das durchdringende Übel der Demokratie ist die Tyrannei der Mehrheit.“ (81) – „Demokratie: Sonst schützen Institutionen die Massen vor der höchsten Macht. Aber welche Institution ist noch vorhanden, um das Individuum vor der Regierung zu schützen, wenn die Regierung das ganze Volk vertritt und in Übereinstimmung mit dem Willen der überwiegenden Mehrheit handelt?“ (80) – Das Bruchstückhafte dieser Zitate ist kein Zufall, besteht doch dieses Lesebuch aus kurzen Abschnitten, die aus verstreuten Essays, Kritiken, Briefen und Vorlesungen entnommen sind und nun zum größten Teil erstmals auf Deutsch erscheinen. Der britische Historiker Lord Acton (1834-1902) hat kein bedeutendes (Haupt-)Werk hinterlassen, sondern sich nach Auskunft von Dörrbecker vor allem in Details verzettelt. Dennoch wird er im Vorwort als „der wahrscheinlich bedeutendste Liberale, den das 19. Jahrhundert [neben Alexis de Tocqueville] hervorgebracht hat“ (5) gerühmt. Dieses Urteil ist angesichts der präsentierten Zitatensammlung und des informativen Nachwortes nicht so leicht nachzuvollziehen. Lord Acton, der zweimal ins Unterhaus gewählt wurde und Berater des Premierministers Gladstone war, sah sich selbst als liberaler Katholik, „der alles im Katholizismus ablehnte, was nicht liberal war und alles in der Politik ablehnte, was nicht mit dem katholischen Glauben übereinstimmte“ (221). Als besonders wichtig für seine politischen Ideen nennt Dörrbecker, dass Lord Acton im individuellen Gewissen die letzte Instanz des Menschen sah und daher der Ansicht war, dass das Prinzip der Mehrheit in der Demokratie nicht das höchste Prinzip sein könne. Immer wieder erwiesen sich seine Gedanken auch für seine Zeitgenossen und Korrespondenzpartner als nicht konsensfähig, so angesichts seiner harschen Kritik an Martin Luther und der Einschätzung, dass die Folgen der Reformation Ursache für „viele spätere Fehlentwicklungen der europäischen Gesellschaftsordnung“ (222) gewesen seien. Sein übergeordnetes zentrales Thema war die Freiheit, wobei er auch zu grundlegenden Erkenntnissen kam: „Der sicherste Test, mit dem wir beurteilen können, ob ein Land tatsächlich frei ist, ist die Summe an Sicherheiten, der sich Minderheiten erfreuen“ (217).
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 5.33 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Alexander Dörrbecker (Hrsg.): Geschichte und Freiheit. Zürich: 2010, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/32843-geschichte-und-freiheit_39228, veröffentlicht am 13.10.2010. Buch-Nr.: 39228 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken