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Etienne François / Kornelia Kończal / Robert Traba / Stefan Troebst (Hrsg.)

Geschichtspolitik in Europa seit 1989. Deutschland, Frankreich und Polen im internationalen Vergleich

Göttingen: Wallstein Verlag 2013 (Moderne Europäische Geschichte 3); 560 S.; geb., 42,- €; ISBN 978-3-8353-1068-1
Im Rahmen des bundesdeutschen Historikerstreits entstanden, hat sich der Begriff Geschichtspolitik seitdem auch in der angelsächsischen und in den ostmitteleuropäischen Wissenschaftssprachen verbreitet. Auf einer vergleichend angelegten Tagung im November 2007 in Berlin untersuchten mehr als 100 Forscher_innen entsprechende Bezugnahmen und Tendenzen vor allem in Deutschland, Frankreich und Polen. Eine Auswahl der Vorträge – ergänzt um zusätzlich eingeworbene Texte – liegt nun in verschriftlichter Form vor; neben den genannten Ländern finden sich darunter u. a. Fallstudien zu Skandinavien, Tschechien, der Ukraine und der Geschichtspolitik der Europäischen Union. Ergänzt werden sie durch eine begriffsgeschichtliche Einleitung und ein resümierendes Schlusskapitel der Mitherausgeber Troebst und François. Es wird deutlich, dass sich eine wertneutrale Verwendung des ursprünglich pejorativ gebrauchten Begriffs noch nicht allgemein durchgesetzt hat. Troebst weist darauf hin, „dass die ‚moderne‘ Geschichtspolitik keine Erfindung des 20. Jahrhunderts […] ist, sondern sich vielmehr in eine Jahrtausende alte Geschichte und Tradition einordnet“ (21) – ein Umstand, der sich in der Forschungsliteratur, die sich eben hauptsächlich auf das „Zeitalter der Extreme“ (Eric Hobsbawm) konzentriert, nur bedingt widerspiegelt. Zudem widmet sich der Großteil entsprechender Untersuchungen aufgrund der dortigen „konflikthaft verflochtenen“ (33) Erinnerungskulturen dem östlichen Europa. Geschichtspolitik staatlicher und zivilgesellschaftlicher Akteure wird dabei als eine Unterkategorie von Erinnerungskultur verstanden. François betont, dass für geschichtspolitische Debatten der nationale Rahmen, trotz aller transnationaler Tendenzen, weiter prägend sei – seien sie doch immer auch „zugleich Debatten über die politische Kultur, die politischen Werte und die politische Zukunft der eigenen Nation“ (543). Gleichwohl sei seit 1989/90 ein starkes Ansteigen europäischer Bezüge zu konstatieren, die zur Aussöhnung vieler nationaler Antagonismen beitragen können: „Das heutige Europa ist nicht nur eine konflikthafte, sondern auch eine […] solidarische Erinnerungsgemeinschaft.“ (555)
Martin Munke (MUN)
M. A., Europawissenschaftler (Historiker), wiss. Hilfskraft, Institut für Europäische Studien / Institut für Europäische Geschichte, Technische Universität Chemnitz.
Rubrizierung: 2.23 | 2.35 | 2.263 | 2.343 | 3.5 | 2.61 | 2.67 Empfohlene Zitierweise: Martin Munke, Rezension zu: Etienne François / Kornelia Kończal / Robert Traba / Stefan Troebst (Hrsg.): Geschichtspolitik in Europa seit 1989. Göttingen: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/36316-geschichtspolitik-in-europa-seit-1989_42554, veröffentlicht am 24.10.2013. Buch-Nr.: 42554 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken