Der Sammelband ist Ergebnis einer Tagung zur Erforschung der postautoritären Vergangenheitspolitik, die im Juni 2006 am Zentrum für Zeithistorische Forschung in Potsdam stattgefunden hat. Die Beiträge des Buches zeigen, dass es über die Geschichtspolitik und die Erinnerungskultur im heutigen Russland differenzierte Sichtweisen gibt. So ist für die Historikerin Jutta Scherer eine Unterscheidung zwischen Geschichtspolitik und Erinnerungskultur oft nicht notwendig, weil beide politisch bedingt und zumeist staatlich gelenkt seien, wie sie es an den Beispielen Frankreich und Russland darstellt. Doch in Russland gebe es nicht nur eine staatlich gelenkte Geschichtspolitik und Erinnerungskultur, wie die Historikerin Olga Kurilo zeigt. Heute ließe sich die Erinnerungskultur Russlands nicht eindeutig definieren. „Sie stellt einen Flickenteppich dar, der unterschiedliche Gedenkmuster beinhaltet, die von der Stalin-Verehrung bis zur Erinnerung an den Gulag und die Opfer des sowjetischen Systems reichen.“ (156) Dabei komme die Demokratisierung der Erinnerungskultur nur langsam voran. Dies liege nicht allein an der national-patriotischen Geschichtspolitik des Kremls, sondern an sozial-psychologischen Faktoren. Denkweisen und Feindbilder aus der sowjetischen Zeit würden in der heutigen russischen Gesellschaft noch eine bedeutende Rolle spielen, meint die Wissenschaftlerin.