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Harald Schmid (Hrsg.)

Geschichtspolitik und kollektives Gedächtnis. Erinnerungskulturen in Theorie und Praxis

Göttingen: V&R unipress 2009 (Formen der Erinnerung 41); 275 S.; 43,90 €; ISBN 978-3-89971-575-0
In diesem Band finden sich verschiedene theoretische Beiträge und Analysen zum öffentlichen Umgang mit Geschichte und den Transformationen sowie Wechselwirkungen von Begriffen wie kollektives Gedächtnis oder Geschichtspolitik zwischen der politischen und wissenschaftlichen Sphäre. Horst-Alfred Heinrich beschäftigt sich mit dem Stellenwert kollektiver Erinnerung für politische Systeme. Er fragt also, inwieweit kollektive Erinnerung die Gesellschaft beeinflusst und durch wen, warum und unter welchen Bedingungen Geschichtsinterpretationen verändert werden. Seine konzeptionelle Basis ist die klassisch-politikwissenschaftliche Theorie politischer Systeme nach David Easton, die er mit dem Konzept politischer Kultur nach Dieter Fuchs verbindet. „Politische Kultur ist mittelbar durch den Faktor Geschichte beeinflusst“, führt der Autor aus, und „insofern die politische Kultur das Handeln sowohl der Gesellschaftsmitglieder als auch der politischen Rolleninhaber prägt, trägt die Perzeption von Geschichte vermittelt zur Konsolidierung oder Erodierung des politischen Regimes bei“ (84). Auf gesellschaftlicher Ebene, resümiert Heinrich, haben wir es unabhängig von Geschichte mit Interessenkonflikten über Ressourcenverteilung zu tun. Erst deren Lösung bedürfe der Legitimation, für die sich historische Analogien anböten. Harald Schmid befasst sich mit der Entwicklung des Begriffs Geschichtspolitik. Im Kontext der krisenhaften Umbrüche nach den 70er-Jahren wurde der Begriff vor allem im sogenannten Historikerstreit zum zunächst den Gegner diffamierenden Schlagwort. Der Begriff wurde jedoch rasch wissenschaftlich konzeptualisiert und seit Mitte der 90er-Jahre zum Zentralbegriff zur Beschreibung öffentlicher Indienstnahme von Geschichte für politische Zwecke. Schmid verweist jedoch darauf, dass „die politische Bedeutung von Geschichte in ihren maßgeblichen Inhalten und dem Ausmaß öffentlicher Thematisierung stets zeitabhängig ist“ (75). Phasen obsessiver Geschichtspolitik können also durchaus mit Phasen der Distanzierung von Geschichte wechseln.
Timo Lüth (TIL)
Student, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.23 | 2.35 | 2.31 | 2.61 | 2.263 Empfohlene Zitierweise: Timo Lüth, Rezension zu: Harald Schmid (Hrsg.): Geschichtspolitik und kollektives Gedächtnis. Göttingen: 2009, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/31441-geschichtspolitik-und-kollektives-gedaechtnis_37425, veröffentlicht am 28.01.2010. Buch-Nr.: 37425 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken