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Madeline Doneit / Bettina Lösch / Margit Rodrian-Pfennig (Hrsg.)

Geschlecht ist politisch. Geschlechterreflexive Perspektiven in der politischen Bildung

Opladen/Berlin/Toronto: Verlag Barbara Budrich 2016; 252 S.; 28,- €; ISBN 978-3-8474-0651-8
Die Beiträge dieses Bandes geben einen Überblick über den aktuellen Diskussionsstand zum Verhältnis von Geschlecht und politischer Bildung. Bedeutsam ist diese Zusammenschau, so die Herausgeberinnen in ihrer Einleitung, weil in einer weitgehend neoliberalisierten Bundesrepublik die Beharrungskraft der tradierten Geschlechterverhältnisse immer noch äußerst stark ausgeprägt sei. Da sich jedoch andererseits ein immer stärkerer Wandel von Lebensformen sowie deren zunehmende Enttabuisierung abzeichne, sei es nicht hinnehmbar, dass gerade „die schulische Politikdidaktik weit hinter dem aktuellen Erkenntnis‑ und Diskussionsstand der Gender und Queer Studies zurückbleibt“ (13). Diesem Defizit will der Band entgegentreten. Einen Überblick über die theoretischen Grundlagen der Gender Studies mit Bezug zur politischen Bildung bietet Madeline Doneit. „Die wissenschaftliche Institutionalisierung der Frauen‑ und Geschlechterforschung im deutschsprachigen Raum wurde“, so Doneit, „im Zuge der Neuen Frauenbewegung der späten 1960er Jahre erkämpft“ (21). An dieser Haltung eines Anrennens gegen Widerstände – etwa solchen, die am implizit androzentrischen Menschenbild wissenschaftlicher Theorien und Begrifflichkeiten festhalten – hat sich bis heute wenig geändert. Geschlechterzuordnung, so eine der zentralen Einsichten der Gender Studies, ist jedoch zunächst eine soziale Konstruktion, mit der Rollenzuschreibungen ebenso einhergehen wie machtorientierte Stratifikation sozialer Gefüge gleich welchen Kontextes. Vor diesem Hintergrund bedürfe es ihrer nachhaltigen Integration in der politischen Bildung, und das nicht etwa in Form des sprichwörtlichen „erhobenen Zeigefingers“, sondern im Sinne der Sensibilisierung für eine grundsätzlich kritische Haltung sozialen oder politischen Formationen gegenüber. Anke Prochnau thematisiert in ihrem Beitrag die Notwendigkeit, explizit Männlichkeit in der politischen Bildung zu thematisieren und über die Vor‑ und Nachteile, die mit einer bestimmten Geschlechterzuschreibung einhergehen, aufzuklären. Julia Dücks schlägt in ihrem Beitrag über die Care‑Krise, also über die Frage, wem die Übernahme der Sorgearbeit zur Aufrechterhaltung sozialer Integrität aufgegeben wird, eine Brücke zum materialistischen Feminismus. Im Zuge des neoliberalen Wandels, der zu einer signifikanten, krisenhaften Prekarisierung der Lebens‑ und Arbeitsverhältnisse beigetragen habe, gelte es, die Zuteilung von Geschlechterrollen neu zu erkämpfen. Emanzipation – so der Tenor – ist selbst in einer weit entwickelten Gesellschaft wie der deutschen keine Selbstverständlichkeit. Es gilt, sie weiterhin zu erkämpfen.
{LEM}
Rubrizierung: 2.272.362.35 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Madeline Doneit / Bettina Lösch / Margit Rodrian-Pfennig (Hrsg.): Geschlecht ist politisch. Opladen/Berlin/Toronto: 2016, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/40160-geschlecht-ist-politisch_47427, veröffentlicht am 24.11.2016. Buch-Nr.: 47427 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken