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Anne Tittor

Gesundheitspolitik in Lateinamerika. Konflikte um Privatisierungen in Argentinien und El Salvador

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2012 (Studien zu Lateinamerika 18); 375 S.; brosch., 59,- €; ISBN 978-3-8329-7338-4
Diss. Kassel; Begutachtung: H.‑J. Burchardt, C. Scherrer, D. Boris. – „Lateinamerika [hat] verglichen etwa zu Südostasien trotz ähnlichem Pro‑Kopf‑Einkommen weit schlechtere Gesundheitsindikatoren“ (16), konstatiert Anne Tittor. So sei beispielsweise die Verfügbarkeit von Medizinern und preiswerten Medikamenten deutlich geringer. Da die Gesundheitspolitik eng mit sozialer Ungleichheit verknüpft sei und einen wichtigen Teilbereich der sozialen Sicherung darstelle, sei eine mangelnde Gesundheitsversorge auch immer mit einer erhöhten Armutsgefahr verbunden. In ihrer Untersuchung der Gründe konzentriert sich die Verfasserin auf die Rolle der Privatisierungen und damit der Kommodifizierung sämtlicher Gesundheitssparten in den späten 1980er‑Jahren. Diese Kommerzialisierung ehemals öffentlicher Güter wird dabei ausführlich aus einer neogramscianischen Sicht betrachtet, wobei Tittor auf den Theorieansatz von Robert W. Cox zurückgreift. Demnach verändern sich Kräfteverhältnisse und Weltordnungen im Laufe der Zeit langsam aber sicher. Jener Hegemoniebegriff wird an den zwei sozial und politisch sehr unterschiedlich strukturierten Staaten El Salvador und Argentinien überprüft. Im Fall Argentinien geht Tittor bis zur Staatsgründung zurück und rollt die gesellschaftliche Entwicklung über Peronismus und Militärdiktatur auf, um die aktuelle Regierung von Cristina Fernández de Kirchner als Kristallisationspunkt herauszustellen. Die Kommodifizierung habe zwar bereits unter Präsident Carlos Ménem eingesetzt, aber erst unter den beiden Kirchners habe das Land ein spezifisches Modell zwischen Privatisierung und Nationalisierung entwickelt. Dessen weitere Ausgestaltung sei allerdings schwer einzuschätzen. Ganz anders liegen laut der Autorin die Dinge in El Salvador. Dort habe sich das neoliberale Denken nur begrenzt durchgesetzt, zudem ändere sich seit 2003 relativ viel – damals habe ein großer Streik, der sich vor allem gegen die anstehenden Privatisierungen im Gesundheitsbereich gerichtet habe, das gesamte Land lahmgelegt. Diese Planungen seien daraufhin zurückgenommen worden. Insgesamt sei festzustellen, dass in beiden Ländern – obwohl sie „most different cases“ (315) seien – die Kommodifizierung zwar zugenommen habe, eine vollständige Privatisierung des Gesundheitssektors nie durchgesetzt worden sei. Tittor schließt mit dem umfassenden Fazit, dass sich das Bewusstsein über Reformen im Gesundheitssystem in Lateinamerika im Laufe der Zeit doch grundlegend verändert hat.
Vincent Wolff (VW)
Student der Politikwissenschaft, Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie, Universität Bonn.
Rubrizierung: 2.65 | 2.263 | 2.21 Empfohlene Zitierweise: Vincent Wolff, Rezension zu: Anne Tittor: Gesundheitspolitik in Lateinamerika. Baden-Baden: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35689-gesundheitspolitik-in-lateinamerika_43097, veröffentlicht am 28.02.2013. Buch-Nr.: 43097 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken