Skip to main content
Thomas Haipeter / Klaus Dörre (Hrsg.)

Gewerkschaftliche Modernisierung

Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2011; 304 S.; 34,95 €; ISBN 978-3-531-17753-3
Die Soziale Frage stellt sich im 21. Jahrhundert neu. Angesichts der Zunahme prekärer Beschäftigungsverhältnisse entsteht abermals ein erhebliches Machtungleichgewicht zwischen Kapital und Arbeit. Die Gewerkschaften können diese Disparität aufgrund der Abahme des Organisationsgrades, des Rückgangs der Tarifbindung und anderer sich seit Jahren abzeichnenden Veränderungen nicht mehr ausgleichen. Auch die traditionelle Forschung der industriellen Beziehungen erkennt zwar die Erosion des alten Modells, weiß aber noch keine Antworten. Deshalb fanden sich im Frühjahr 2010 in Mühlheim Vertreterinnen und Vertreter aus Wissenschaft und gewerkschaftlicher Praxis zusammen, um mit dem Institut Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen (IAQ) sowie dem Jenaer Zentrum für interdisziplinäre Gesellschaftsforschung (JenZiG) die Krise und mögliche Modernisierung der Interessensvertretung zu diskutieren. Die Ergebnisse der Tagung teilen den Band in zwei Abschnitte: Einerseits wurde das IAQ-Forschungsprojekt zur IG Metall besprochen, andererseits ging es um die Ansätze gewerkschaftlicher Erneuerung jenseits industrieller Kernsektoren und Stammbelegschaften. Die politikwissenschaftlich interessantesten Beiträge sind somit im zweiten Abschnitt zu finden, worin etwa Hajo Holst und Ingo Matuschek die vielfachen Spaltungslinien aufzeigen, die eine Prekarisierung der Arbeitsgesellschaft nach sich zieht, und auf die disziplinierenden Effekte atypischer Beschäftigungsverhältnisse hinweisen. Ingrid Artus schließt sich diesem Befund an und hebt hervor, dass die Gewerkschaftsbewegung stark vom Typus des männlichen Facharbeiters geprägt ist, der „angesichts der Landnahme entstandardisierter und desozialisierter Formen von Lohnarbeit“ (208) längst nur mehr einen kleinen Teil ausmacht. Damit seien „die Bedingungen für die Herstellung von Gegenmacht also ziemlich schlecht“ (213). Die eindrücklichste Analyse stammt von Klaus Dörre, der anmerkt, dass zwar der „Krisenkorporatismus“ der Jahre 2008 bis 2010 funktioniert habe, aber nur aufgrund einer „exklusiven Solidarität“, die „sekundäre Ausbeutungsmechanismen“ verfestige (284), wodurch auch die institutionelle Macht der Gewerkschaften weiter abnehme.
Tamara Ehs (TE)
Dr. phil., Politikwissenschaftlerin am IWK Wien und Lehrbeauftragte an der Universität Salzburg (http://homepage.univie.ac.at/tamara.ehs/)
Rubrizierung: 2.331 | 2.22 | 2.61 Empfohlene Zitierweise: Tamara Ehs, Rezension zu: Thomas Haipeter / Klaus Dörre (Hrsg.): Gewerkschaftliche Modernisierung Wiesbaden: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/33675-gewerkschaftliche-modernisierung_40333, veröffentlicht am 04.08.2011. Buch-Nr.: 40333 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken