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Peter Reichel

Glanz und Elend deutscher Selbstdarstellung. Nationalsymbole im Reich und Republik

Göttingen: Wallstein Verlag 2012; 381 S.; geb., 29,90 €; ISBN 978-3-8353-1163-3
Zu den zentralen Themen Peter Reichels, der bis 2007 an der Universität Hamburg die historischen Grundlagen der Politik lehrte, gehört die Auseinandersetzung mit politischen Symbolen. In zahlreichen Publikationen hat er sich mit historischem Kontext und sozialen Funktionen jener kulturellen Darstellungsformen befasst, in denen sich politische Gemeinwesen zur Selbstverständigung auf die jeweils eigene Geschichte beziehen. Das gilt besonders für den demokratischen Rechtsstaat, weil diese – so Reichel – „abstrakte, unsichtbare und zerbrechliche Konstruktion einer bloß vertraglichen Vereinbarung freier Individuen […] ohne ihre emotionale Identifikation mit ihm gar nicht lebensfähig“ (13) ist. Anschließend an seine 2005 erschienene Einführung „Schwarz‑Rot‑Gold. Kleine Geschichte der deutschen Nationalsymbole nach 1945“ (siehe Buch‑Nr. 28491) befasst sich Reichel in seiner neuen Studie mit dem Kernbereich der Staatssymbolik, den Farben, Hymnen, Feiertagen und – wenn auch nur exemplarisch – Staatsdenkmälern. Historisch reichen die Bezüge vom deutschen Vormärz bis zur Errichtung des Holocaust‑Mahnmals in Berlin. Sehr anschaulich und zugleich entschieden im Urteil behandelt er zentrale Themen der deutschen Geschichtspolitik. Dazu gehören die Gestaltung des Brandenburger Tors und des Reichstagsgebäudes, die Entscheidung für die gemeinsame Nationalhymne, die Auseinandersetzungen über das Holocaust‑Denkmal und die Wahl des Tags der deutschen Einheit. Wenn auch in unterschiedlicher Weise spiegeln diese Symbole „ein dichtes, ein bewegtes und verstörend gewalttätiges Bild der politischen Selbstsuche und Selbstdarstellung auf dem langen Weg zur Republik“ (333). Und gerade auch für das wiedervereinigte Deutschland gilt, dass die gewählten Formen der Erinnerungskultur vielfach der Gefahr ausgesetzt waren, Widersprüche und Ambivalenzen der deutschen Geschichte eher kompromisshaft zu umgehen. Für Reichel zeigt das am deutlichsten die Entscheidung, den 3. Oktober – und nicht, was ja durchaus diskutiert worden ist, den 9. November – zum neuen Nationalfeiertag zu erklären.
Thomas Mirbach (MIR)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Lawaetz-Stiftung Hamburg, Lehrbeauftragter, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.3 | 2.31 | 2.35 Empfohlene Zitierweise: Thomas Mirbach, Rezension zu: Peter Reichel: Glanz und Elend deutscher Selbstdarstellung. Göttingen: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35929-glanz-und-elend-deutscher-selbstdarstellung_42968, veröffentlicht am 14.07.2013. Buch-Nr.: 42968 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken