Skip to main content
Paul B. Kleiser (Hrsg.)

Griechenland im Würgegriff. Ein Land der EU-Peripherie wird zugerichtet

Köln: ISP 2013; 188 S.; 17,80 €; ISBN 978-3-89900-139-6
Der Herausgeber Paul Kleiser – er engagiert sich bei attac – und die weiteren Autoren des Sammelbandes beschreiben die aktuelle Situation Griechenlands: Einerseits litten die Menschen unter der Kuratel der aus Internationalem Währungsfonds, Europäischer Zentralbank und EU‑Kommission bestehenden Troika. Sie habe dem Land eine harte Austeritätspolitik auferlegt, die die sogenannte kleine Troika (Bezeichnung für die griechische Regierung aus den Parteien Nea Dimokratia, PASOK und Dimar) umgesetzt habe: So seien der Staatshaushalt in bisher ungeahntem Maße gekürzt, drastische Lohnsenkungen angeordnet – der Mindestlohn wurde von 751 auf 586 Euro reduziert –, parallel die Steuern erhöht, die Mehrwertsteuer auf 23 Prozent angehoben und dem öffentlichen Dienst eine zusätzliche Solidaritätssteuer auferlegt worden. Andererseits sei es den wohlhabenden Bevölkerungsschichten gelungen, ihr Einkommen deutlich zu steigern, einige profitierten von den Bankenrettungsprogrammen. Die griechischen Reeder, denen die größte Handelsflotte der Welt gehöre, eine Reihe von ihnen zähle auf der Forbes‑Liste zu den 500 reichsten Familien der Welt, hätten, so berichten Charles André Udry und Kleiser, einen großen Teil ihres Besitzes außer Landes geschafft. Ein Teil ihrer Vermögen befinde sich in der Schweiz, Großbritannien oder in anderen Steuerparadiesen. Die griechische Krise sei nicht entstanden, weil die Ausgaben zu groß gewesen seien, sondern „weil das Kapital und die großen Vermögen Steuergeschenke bekamen oder steuerlich gar nicht erst veranlagt wurden“. So sei die „stinkreiche orthodoxe Staatskirche“ (80), die über erhebliche finanzielle Mittel verfüge, fast völlig von Steuerzahlungen ausgenommen. Die soziale Situation der breiten Bevölkerung sei katastrophal, die Arbeitslosigkeit habe die Marke von 27 Prozent überschritten, bei Jugendlichen liege sie über 60 Prozent. Mehr und mehr Menschen verlören nicht nur ihren Arbeitsplatz, sondern auch ihre Gesundheitsversorgung. Das griechische Gesundheitswesen sei inzwischen „auf dem Niveau eines Drittweltlandes“ (98) angekommen und stehe vor dem Kollaps. Ein Viertel der Bevölkerung lebe an oder unter der Armutsgrenze, sodass die Suppenküchen regen Zulauf verzeichneten. Dennoch sieht Georgia Bekridaki Licht am Ende des Tunnels: Seit 2009 habe sich in der griechischen Gesellschaft eine „breite Solidaritätsbewegung“ (129) entwickelt, die bereits aus über 250 Kollektiven und Initiativen bestehe. Berichtet wird über die Kartoffelbewegung, über Gesellschaftsläden, soziale Kliniken und Apotheken, ein gesellschaftliches Bildungswesen und eine Reihe anderer Projekte der sozialen Ökonomie. Die Menschen versuchten, auf die „Krise durch die Schaffung neuer Strukturen der Solidarität, den Aufbau von Beziehungen neuen Typs“ (139 f.), zu antworten.
{STE}
Rubrizierung: 2.61 | 2.22 Empfohlene Zitierweise: Sabine Steppat, Rezension zu: Paul B. Kleiser (Hrsg.): Griechenland im Würgegriff. Köln: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/36897-griechenland-im-wuergegriff_43284, veröffentlicht am 27.03.2014. Buch-Nr.: 43284 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken