Diss. Bonn; Begutachtung: C. Antweiler, K. Husa. – Neben funktionierenden Institutionen ist die Zivilgesellschaft ein wichtiger Bestandteil der Demokratie. Vor diesem Hintergrund fragt Niklas Reese nach den Bedingungen eines „sense of citizenship“ (25) und damit nach den Voraussetzungen kollektiven politischen Handelns. Bürgerschaftssinn wird als mentale Disposition definiert, die dem Individuum ein Bewusstsein über seine Rechte und ein Wissen über legale und institutionelle Verfahren im Staat erlaubt. Reese interessiert sich vor allem für die Frage, warum Prekarisierung und das medial geäußerte Bedürfnis nach emanzipatorischem Wandel bisher nicht zur Entstehung von Gewerkschaften oder anderen Strukturen kollektiven Handelns auf den Philippinen geführt haben. Die empirische Arbeit ist in drei Teile gegliedert. Im ersten werden Callcenter‑Agents als neue prekarisierte und transnationale Mittelklasse nach ihren Wahrnehmungsmustern hinsichtlich bestehender Probleme am Arbeitsplatz und potenzieller Lösungsmechanismen untersucht. In einer Triangulation werden dabei qualitative (drei Leitfadeninterviews mit derselben Person, Gruppendiskussionen, Sekundärdaten) mit quantitativen Methoden (Datensätze des ISSP) verbunden, um Ergebnisse zu validieren und neue theoretische Erkenntnisse zu erzielen (Grounded Theory). Im zweiten Teil werden diese für die Philippinen außerhalb der Callcenterbranche diskutiert, während im letzten Abschnitt Reflexionen bezüglich des Vorgehens und möglicher Ergebnisse angestellt werden. Bestehende (westliche) Konzepte von Bürgerschaft, Mittelklasse und politischem Handeln werden an unterschiedlichen Stellen „eingeflochten“ (12) – was sich einerseits in einer unübersichtlichen Gliederung der Studie äußert, andererseits aber der Methodologie Reeses Rechnung trägt. Er zeigt, dass politisches Engagement auf den Philippinen auf konkrete und individuelle Lösungsmechanismen ausgerichtet ist, der Staat „eher als Ermöglicher denn als Gewährleister“ (14) begriffen wird und sich „gouvernementale Strategien, vor allem die Internalisierung von Regeln“ (11), als anschlussfähig gegenüber dem Neoliberalismus erweisen.