Skip to main content
Philipp zum Kolk

Hannah Arendt und Carl Schmitt. Ausnahme und Normalität – Staat und Politik

Frankfurt a. M. u. a.: Peter Lang 2009 (Europäische Hochschulschriften: Reihe XXXI, Politikwissenschaft 573); 128 S.; brosch., 19,80 €; ISBN 978-3-631-59232-8
Spätestens seit Andreas Kalyvas’ „Politics of the Extraordinary“ (2008) ist die Debatte um Hannah Arendt und Carl Schmitt für gegenwärtige Theoriebildung fruchtbar gemacht worden. Zum Kolk hat dem eine kleine, aber feine Studie hinzugefügt. Er vermeidet dabei die üblichen vorschnellen und oberflächlichen Analogieschlüsse, die zumeist in einem anti-normativen Dezisionismus und in vermeintlichen Parallelen der Liberalismus-Kritik gesucht werden. Der Autor entzieht sich konsequent irreführenden Deutungen, die Nähe herstellen sollen, wo doch kategoriale Distanz vorherrscht. Dabei eröffnet er den Dialog vor allem dadurch, dass er triftig konzeptionelle Gegensätze profiliert. Denkt Schmitt Politik in Formen antagonistischer Homogenität, die sich gegen innere Pluralität richtet und sich u. a. in der Bereitschaft zur physischen Gewalt darstellt, betont Arendt die universelle menschliche Pluralität, die erst politische Freiheit und politische Assoziation ermöglicht. Pluralität ist zentral für ihr agonales Handlungsmodell. Schmitts Souveränitätstheorie steht Arendt als Kritikerin von Souveränität und Gewalt gegenüber. Auch innere Spannungen im Werk Schmitts und Arendts werden überzeugend rekonstruiert. So erkennt zum Kolk z. B. völlig zurecht, dass bei Arendt bisweilen Entstaatlichung „ein Ausdruck der Entpolitisierung” (72) darstellt. Zumeist wird politisches Handeln aber unabhängig von staatlicher Verfasstheit gedacht. Allerdings unterschätzt der Autor, welche Bedeutung Arendt einer politisch garantierten öffentlichen Sphäre zumisst. Mit zum Kolk und Kalyvas erscheint das fruchtbarste tertium comparationis Arendts und Schmitts Beschäftigung mit Ausnahmesituationen, obgleich auch hier deren Bewertungen „konträr zueinander” (118) ausfallen. Zum Kolk bietet auf der Grundlage eines gründlichen Studiums der Primärliteratur einen ebenso konzisen wie sachlich reflektierten Einstieg in eine Diskussion, die sicherlich künftig noch an Gewicht gewinnen dürfte.
Lars Rensmann (LPR)
Dr. phil., Politikwissenschaftler, Associate Professor of Political Science, John Cabot University, Rome.
Rubrizierung: 5.46 | 5.41 Empfohlene Zitierweise: Lars Rensmann, Rezension zu: Philipp zum Kolk: Hannah Arendt und Carl Schmitt. Frankfurt a. M. u. a.: 2009, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/9096-hannah-arendt-und-carl-schmitt_36969, veröffentlicht am 02.09.2009. Buch-Nr.: 36969 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken