Aus der Annotierten Bibliografie
Herausforderungen der repräsentativen Demokratie. Krisendiagnosen im Spiegel der Literatur
11.12.2017
Annotierte Bibliografie der Politikwissenschaft. © Portal für Politikwissenschaft
Als deutliche Anzeichen dafür, dass die repräsentative Demokratie in eine Schieflage geraten ist, werden eine geringe Wahlbeteiligung, ein anhaltender Mitgliederschwund in den großen Parteien und eine allgemeine Unzufriedenheit mit den politischen Institutionen herausgestellt. Hinzu kommen allgemeine Entwicklungen und Trends wie die Globalisierung, der Wandel der Medien oder die Individualisierung von Lebenslagen, die einer politischen Partizipation und damit einer angemessenen Repräsentation im Wege stehen. Eine differenzierte Analyse von Krisenerscheinungen, wie sie die Autorinnen und Autoren in dem von Wolfgang Merkel herausgegebenen Band „Demokratie und Krise. Zum schwierigen Verhältnis von Theorie und Empirie“ vorlegen, zeigt zwar, dass sich die demokratische Qualität nicht dramatisch verschlechtert hat, wohl aber in allen Dimensionen der embedded democracy Erosionserscheinungen festzustellen sind. Insbesondere „haben Institutionen und politische Eliten nicht verhindert, dass sich die zunehmende soziale Ungleichheit immer stärker in politische Ungleichheit transformiert“, heißt es in der Rezension. Um soziale Prozesse als Ursache für die Krise der Repräsentation und die damit verbundenen Zusammenhänge mit sozialer Ungleichheit und mangelnder Partizipation geht es in zwei von Markus Linden und Winfried Thaa herausgegebenen Sammelbänden, die aus dem Sonderforschungsbereich 600 „Fremdheit und Armut“ an der Universität Trier hervorgegangen sind. Dass sich über die vordergründigen Indizien hinaus noch weitere Problemlagen erörtern lassen, zeigen die weiteren in Kurzrezensionen vorgestellten, alphabetisch sortierten, Studien.
Paul Ginsborg
Wie Demokratie leben. Aus dem Italienischen von Friederike Hausmann
Berlin: Verlag Klaus Wagenbach 2008 (Politik bei Wagenbach); 125 S.; 9,90 €; ISBN 978-3-8031-2581-1
Seit dem Fall der Mauer stellen Länder mit demokratischer Regierungsform unter den Mitgliedstaaten der UNO die Mehrheit – dieser vordergründige Siegeszug verdeckt jedoch die qualitative Krise der liberalen Demokratie. Diese beruht – wie der an der Universität Florenz lehrende Zeithistoriker Ginsborg in seinem Essay ebenso lebhaft wie mit plausiblen Beispielen belegt – wesentlich auf strukturellen Schwächen der politischen Repräsentation. Eingerahmt von einem fingierten Dialog z...
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Felix Heidenreich / Didier Mineur / Daniel Schulz (Hrsg.)
Die Bürger und ihr Staat in Deutschland und Frankreich/Les citoyens et leur État en France et en Allemagne
Berlin: Lit 2015 (Kultur und Technik 28); 130 S.; 29,90 €; ISBN 978-3-643-12917-8
Der Sammelband geht auf ein bereits 2011 veranstaltetes deutsch‑französisches Graduiertenkolloquium zurück. Die Beiträge kreisen um die Frage, ob und inwieweit Krisendiagnosen der Demokratie in Deutschland und Frankreich einander ähneln. In beiden Ländern, so die Herausgeber in ihrer Einleitung, seien unbestreitbar ähnliche Symptome zu beobachten: eine verbreitete Unzufriedenheit mit politischen Parteien, eine weithin rückläufige parteipolitische Beteiligung und ein immer weiter steigender Anteil von Nichtwählern, ungeachtet dessen, auf welcher ...
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Detlef Horster (Hrsg.)
Die Krise der politischen Repräsentation. Hannah-Arendt-Lectures und Hannah-Arendt-Tage 2007
Weilerswist: Velbrück Wissenschaft 2008; 109 S.; brosch., 12,90 €; ISBN 978-3-9388-0846-7
Haben wir eine Krise der politischen Repräsentation? Vordergründig gesehen lassen sich schnell einschlägige Indizien aufzählen: sinkende Wahlbeteiligung, anhaltender Mitgliederschwund der großen Parteien und manifeste Ansehensverluste der politischen Klasse. Aber ist mit diesen Phänomenen das Problem der politischen Repräsentation schon ausreichend beschrieben? Repräsentation – zweifellos ein Kernelement demokratischer Politik – heißt, dass wenige – auf der Basis überprüfbarer ...
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Markus Linden / Winfried Thaa (Hrsg.)
Krise und Reform politischer Repräsentation
Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2011; 327 S.; 29,- €; ISBN 978-3-8329-6685-0
Im ersten Teil des Sammelbandes werden verschiedene Krisendiagnosen zur politischen Repräsentation vorgelegt. Dabei wird ein weiter Bogen von theoretischen Reflexionen bis hin zur Diskussion konkreter Fälle gespannt. Zwar werden mit Individualisierung, Globalisierung, Pluralisierung von Lebensstilen sowie Auflösung von Milieus insbesondere soziale Prozesse als Problemursachen benannt. Jedoch gehen die Autoren in ihren Analysen auch darüber hinaus. Indem auf die gewachsene Bedeutung hingewiesen w...
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Markus Linden / Winfried Thaa (Hrsg.)
Ungleichheit und politische Repräsentation
Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2014; 272 S.; brosch., 29,- €; ISBN 978-3-8487-1298-4
Im Rahmen des von Winfried Thaa von 2005 bis 2012 geleiteten Teilprojekts „Formen und Funktionsweisen politischer Repräsentation von Fremden und Armen in der Bundesrepublik“ innerhalb des Sonderforschungsbereichs „Fremdheit und Armut. Wandel von Inklusions‑ und Exklusionsformen von der Antike bis zur Gegenwart“ an der Universität Trier sind zahlreiche anregende Publikationen zur aktuellen Repräsentationsdebatte entstanden. Dieser Band geht auf eine im Oktober 2012 durchgeführte Tagung des Teilprojekts zurück, die die Diskrepanz zwischen ...
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Wolfgang Merkel (Hrsg.)
Demokratie und Krise. Zum schwierigen Verhältnis von Theorie und Empirie
Wiesbaden: Springer VS 2015; 506 S.; softc., 59,99 €; ISBN 978-3-658-05944-6
Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass heute im Kontext breit diskutierter Befürchtungen post‑demokratischer Tendenzen unter anderem von Colin Crouch die 1960er‑ und 1970er‑Jahre zur eigentlichen demokratischen Phase der Bundesrepublik erklärt werden, jene Jahre also, in denen politiktheoretische Krisenanalysen hohe Konjunktur hatten. Für Wolfgang Merkel ist diese Beobachtung ein weiteres Indiz dafür, dass die Rede von (Demokratie‑)Krise in etlichen Zeitdiagnosen kaum systematischen, empirisch fundierten Analysen ...
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Suvi Soininen / Tuula Vaarakallio (Hrsg.)
Challenges to Parliamentary Politics. Rhetoric, Representation and Reform
Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2015 (Politik-Debatten-Begriffe 2); 167 S.; 36,- €; ISBN 978-3-8487-2184-9
Die Autorinnen und Autoren des Bandes thematisieren Fragen der parlamentarischen Repräsentation in Zeiten von Globalisierung, europäischen Krisen und der Stärkung supranationaler Institutionen. Sie befassen sich mit elektoralem Misstrauen und dem „sogenannten Demokratiedefizit“ (7). Im Mittelpunkt einiger Beiträge steht die parlamentarische Rhetorik. So wird etwa gefragt, inwiefern politische Debatten durch die Dominanz der Wirtschaft und den damit verbundenen ökonomischen ...
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Simon Tormey
Vom Ende der repräsentativen Politik. Aus dem Englischen von Sonja Schuhmacher und Bernhard Jendricke
Hamburg: Hamburger Edition 2015; 231 S.; 28,- €; ISBN 978-3-86854-292-9
Um es gleich vorwegzunehmen: Der an der Universität Sydney Politische Theorie lehrende Simon Tormey wendet sich mit seiner gut lesbaren Studie über die Krise der repräsentativen Politik an ein breiteres Publikum jenseits der scientific community. Er verfolgt in durchaus suggestiver Herangehensweise die Absicht, entgegen verbreiteten Klagen über einen postdemokratischen Niedergang von Politik für die vielfältigen, widerständigen Aktivitäten zu sensibilisieren, in denen sich bereits ein neues ...
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Hui Wang
Die Gleichheit neu denken. Der Verlust des Repräsentativen/Rethinking Equality. The Decline of Representation. Hrsg. von Julian Nida-Rümelin und Wolfgang Thierse mit Sigmar Gabriel und Thomas Meyer
Essen: Klartext 2012 (Philosophie und Politik XII; Kultur in der Diskussion 17); 176 S.; brosch., 10,- €; ISBN 978-3-8375-0711-9
In der Reihe werden Philosophen und Politiker miteinander ins Gespräch gebracht, in diesem Band findet ein Austausch über die Bedeutung von Gleichheit im Zusammenhang mit Demokratie, Freiheit und Gerechtigkeit sowie über die politische und ökonomische Situation im Westen und in China statt. Der zentrale Vortrag des chinesischen Philosophen Wang Hui ist in deutscher und englischer Sprache nachzulesen. Sein zentraler Gedanke ist, dass das Verhältnis von politischem und ökonomischem System neu aust...
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