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Harald Schultze

Im Kontext verschärfter Angriffe auf die Kirche. Kurt Grünbaum und der Geldumtauschprozess 1957/58

Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2009; 307 S.; 24,80 €; ISBN 978-3-374-02684-5
Mit Beginn der 50er-Jahre beginnt die SED-Regierung zunehmend den Kampf gegen die Kirchen in der DDR. Die Jugendweihe wird der Konfirmation gegenübergestellt und gegen die Leitung der Evangelischen Kirche in Deutschland wird öffentlich agitiert. Jene Jahre sind von wichtiger Bedeutung für die Kirchengeschichte der DDR und die politische Strategie des SED-Regimes gegenüber den Kirchen; zu den mittleren Fünfzigerjahren ist bisher jedoch wenig publiziert. Diese Untersuchung ist nun dem Prozess gegen Konsistorialpräsident Kurt Grünbaum und dessen Finanzvorstand Siegfried Klewitz gewidmet. Der Verfasser formuliert in seinem Vorwort: „Wie in einem Brennglas bündeln sich in diesem Prozess um den Geldumtausch vom Oktober 1957 die Anstrengungen des Staates, die Kirche zurückzudrängen“ (7). In der Tat handelte es sich bei diesem Verfahren um ein brisantes Politikum, schließlich war die Magdeburger Kirchenleitung als Widerpart des SED-Regimes bekannt. Schultze erkennt „ein offenbar konzertiertes Programm, Kirchenvertreter als Handlanger des Westens“ (15) anzuklagen. In Berlin waren zuvor Mitarbeiter der Bahnhofsmission als Spione verhaftet worden, die Kirche wurde öffentlich als NATO-Kirche tituliert und im Verfahren stellte sich heraus, dass das Ministerium für Staatssicherheit bereits länger eine Abhöranlage im Büro Grünbaums installiert hatte. Den Anlass des Verfahrens bildete ein Geldtransfer von Ostmark aus Westberlin. Die DDR-Regierung ordnete völlig überraschend den Umtausch sämtlicher Banknoten binnen weniger Tage an. Nicht umgetauschtes Geld würde wertlos. Da sich die Kirche in Finanznöten befand, entschloss man sich, das Geld aus Westberlin nach Magdeburg zu bringen. Das war eine Praxis, die auch staatlicherseits „jahrelang willkommen“ (129) war. Der hohe politische Gehalt der Verhandlung zeigte sich nicht nur in der sie begleitenden massiven Pressekampagne, zu der selbstständige Flugblätter mit Karikaturen zählten, sondern auch darin, dass der Minister für Staatssicherheit, Erich Mielke, dem Zentralkomitee der SED regelmäßig Bericht erstattete.
Timo Lüth (TIL)
Student, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.314 Empfohlene Zitierweise: Timo Lüth, Rezension zu: Harald Schultze: Im Kontext verschärfter Angriffe auf die Kirche. Leipzig: 2009, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/30629-im-kontext-verschaerfter-angriffe-auf-die-kirche_36374, veröffentlicht am 24.07.2009. Buch-Nr.: 36374 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken