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Jürgen Habermas

Im Sog der Technokratie. Kleine politische Schriften XII

Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2013 (edition suhrkamp 2671); 194 S.; 12,- €; ISBN 978-3-518-12671-4
In der Krise der gemeinsamen Fiskal‑, Wirtschafts‑ und Haushaltspolitik innerhalb der europäischen Währungsunion votiert Jürgen Habermas für den Umbau der Währungsgemeinschaft in eine politische Union. „Wenn man die Währungsunion erhalten will, genügt es angesichts der strukturellen Unterschiede zwischen den nationalen Ökonomien nicht mehr, überschuldeten Staaten Kredite zu gewähren, damit jeder von ihnen aus eigener Kraft seine Wettbewerbsfähigkeit steigert. Stattdessen bedarf es einer kooperativen, aus einer gemeinsamen politischen Perspektive unternommenen Anstrengung, um Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit in der Euro‑Zone gemeinsam zu fördern. Eine solche Anstrengung würde von der Bundesrepublik verlangen, im längerfristigen Eigeninteresse kurz‑ und mittelfristig negative Umverteilungseffekte in Kauf zu nehmen – das wäre im dargelegten Sinne ein exemplarischer Fall von politischer Solidarität.“ (110 f.) Seine Kritik an der Tendenz, nationale Entscheidungsgewalten mit Mitteln rhetorisch versteckter technokratischer Steuerung zu stärken, führt zum Plädoyer für „Mehr Europa“ und für Solidarität auch abseits von eigenen Interessen. Dabei fühlt er sich Heinrich Heine im Geiste einer europäischen Zivilisation verbunden. Die – gemäß dem Konzept der Reihe – vor allem auf aktuelle Themen in öffentlicher Debatte konzentrierten politischen Schriften umfassen aber noch mehr. Habermas blickt unter anderem auf die Kreativität jüdischer Philosophen und Soziologen in der frühen Bundesrepublik zurück, zu denen nicht nur die „einflussreichen Solitäre“ (18) Hannah Arendt, Hans Jonas, Leo Strauss oder Gershom Scholem gehören. Der Schlussteil enthält außerdem exemplarische Momentaufnahmen: seine Laudationes auf Ralf Dahrendorf, Michael Tomasello und Kenichi Mishima. Die Beiträge des Bandes eint die Frage nach der Solidarität, die – ohne ein moralisches Gebot zu sein – nur in Gegenseitigkeit funktioniert.
Ellen Thümmler (ET)
Dr., Politikwissenschaftlerin, wiss. Mitarbeiterin, Institut für Politikwissenschaft, Technische Universität Chemnitz.
Rubrizierung: 5.42 | 5.46 | 3.1 | 2.35 Empfohlene Zitierweise: Ellen Thümmler, Rezension zu: Jürgen Habermas: Im Sog der Technokratie. Frankfurt a. M.: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/36457-im-sog-der-technokratie_44555, veröffentlicht am 28.11.2013. Buch-Nr.: 44555 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken