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Sylvia von Steinsdorff / Helin Ruf-Uçar (Hrsg.)

Implementierung von Rechtsnormen. Gewalt gegen Frauen in der Türkei und in Deutschland

Pfaffenweiler: Centaurus-Verlagsgesellschaft 2012 (Reihe Sozialwissenschaften 27); 126 S.; 22,80 €; ISBN 978-3-86226-173-4
Die transnationale Frauenbewegung hat in den 1990er‑Jahren die Anerkennung von Frauenrechten als Menschenrechte durchgesetzt und in dem Abschlussdokument der Weltfrauenkonferenz von 1995 in Peking wurde zudem die Verantwortung von Staaten für die Verhinderung von Gewalt gegen Frauen festgeschrieben. In diesem Band, der aus einem internationalen Workshop vom Januar 2009 hervorgegangen ist, wird der Frage nachgegangen, wie die Anpassung dieser internationalen Normen an nationale Rechtssysteme erfolgt. Einleitend skizzieren die Herausgeberinnen verschiedene Ansätze für die Analyse der Implementierung von Rechtsnormen. Als wichtige Bedingung betonen sie die Anschlussfähigkeit der Normen an nationale Verfahren, gesellschaftliche Erwartungshaltungen und kulturelle Orientierungen. Diese wird durch kommunikative Prozesse hergestellt, an denen unterschiedliche (trans‑)nationale soziale Akteure beteiligt sind. Vor dem Hintergrund dieser Ausgangsannahmen werden in den weiteren Beiträgen die Erfahrungen und Herausforderungen bei der Umsetzung von Normen zur Verhinderung von Gewalt gegen Frauen in Deutschland und der Türkei aus der Sicht von staatlichen Institutionen, NGOs, Jurist_innen sowie Sozial‑ und Politikwissenschaftler_innen diskutiert. In den Beiträgen zur Türkei wird wiederholt die große Bedeutung der Frauenbewegung hervorgehoben, die durch die Perspektive eines EU‑Beitritts Auftrieb bekam und ihre Forderungen in die Zivil‑ und Strafgesetzreformen in den Jahren 2002 und 2004 einbringen konnte. Anders als in Deutschland habe in der Türkei kein „Marsch durch die Institutionen“ (72) stattgefunden, schreibt Helin Ruf‑Uçar. Trotz wichtiger gesetzlicher Fortschritte seien institutionelle Nachlässigkeit, fehlende Einsicht in die Notwendigkeit von Unterstützungssystemen und eine mangelnde Sensibilisierung für Gewalt gegen Frauen in der Gesellschaft weit verbreitet, ganz zu schweigen von der allgemeinen Passivität der Justiz bei der Strafverfolgung. Wenn beispielsweise sogenannte Ehrenmorde in der behördlichen Statistik als Familienstreit klassifiziert werden, wie Vildan Yirmibesoglu ausführt, behindert dies sowohl eine angemessene Beurteilung des konkreten Falls als auch die gesellschaftliche Auseinandersetzung über dieses Thema. Insgesamt werden durch den deutsch‑türkischen Vergleich unterschiedliche Wege und Wegmarken einer Institutionalisierung im Kampf gegen Gewalt gegen Frauen deutlich.
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Rubrizierung: 2.12.272.362.632.252.37 Empfohlene Zitierweise: Anke Rösener, Rezension zu: Sylvia von Steinsdorff / Helin Ruf-Uçar (Hrsg.): Implementierung von Rechtsnormen. Pfaffenweiler: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/36656-implementierung-von-rechtsnormen_43309, veröffentlicht am 30.01.2014. Buch-Nr.: 43309 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken