Skip to main content
W. Michael Blumenthal

In achtzig Jahren um die Welt. Mein Leben. Übersetzt von Klaus-Dieter Schmidt

Berlin: Propyläen Verlag 2010; 570 S.; geb., 24,95 €; ISBN 978-3-549-07374-2
Der Autor legt mit dieser Autobiografie einen jener Texte vor, in denen sich die Vielfalt der jüngeren Geschichte wie in einem Kaleidoskop bündelt. Zu den Vorfahren des 1926 in Oranienburg bei Berlin geborenen Blumenthal zählen Rahel Varnhagen und Giacomo Meyerbeer. 1938 emigrierte die Familie nach Shanghai, später in die USA, dort machte Blumenthal politisch Karriere und wurde Finanzminister unter Jimmy Carter, bevor sich schließlich 1997 der Kreis schloss und er als Leiter des Jüdischen Museums nach Berlin zurückkehrte. Dass Carter in Umfragen neben Ford als schlechtester Präsident des 20. Jahrhunderts genannt wird, hält der Autor für ungerecht. Die damalige Energiekrise habe dieser nicht verschuldet und der Zeitgeist der Jahre sei vor dem Hintergrund von Watergate und Vietnam „von Zynismus und Misstrauen gegenüber dem Staat geprägt“ (357) gewesen. Doch Blumenthal räumt auch ein, dass dem Präsidenten wohl politisches Fingerspitzengefühl und emotionale Intelligenz gefehlt hätten, um seine Präsidentschaft abzusichern. Inhaltlich seien seine Ziele bemerkenswert gewesen, so fungierte er u. a. als Friedensstifter im Nahen Osten und setzte sich glaubwürdig für Menschenrechte und Minderheiten ein. Seit 1989 arbeitete der Autor als Partner für die Investmentbank Lazard Frères und hatte engen Kontakt zum Chef der Treuhand Detlev Karsten Rohwedder. Die Regierung Kohl sah er in der Frage der schnellen Einführung der D-Mark sich einer „Hobson’schen Wahl zwischen politischer Erfordernis und ökonomischer Realität“ gegenüberstehen. In der „wahrscheinlich unvermeidlichen“ (486) politischen Entscheidung sieht Blumenthal die Gründe für erheblichen ökonomischen Schaden im Osten. Das Deutschland der Gegenwart beurteilt er optimistisch, „weit fortgeschritten auf dem Weg zu einer multiethnischen Gesellschaft“ (532). In diesem Sinne sei das Land in seinem Selbstverständnis auch nach der Fußball WM 2006 nicht „wieder normal geworden“. Denn nie zuvor sei das Land in dieser Weise normal gewesen – „mit eigenständigem Selbstwertgefühl, aber mit einer starken Bindung an liberale Grundsätze“ (542).
Timo Lüth (TIL)
Student, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.1 | 2.3 | 2.64 Empfohlene Zitierweise: Timo Lüth, Rezension zu: W. Michael Blumenthal: In achtzig Jahren um die Welt. Berlin: 2010, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/9680-in-achtzig-jahren-um-die-welt_39666, veröffentlicht am 11.01.2011. Buch-Nr.: 39666 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken